rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Duisburg (Entscheidung vom 06.03.2002; Aktenzeichen S 5 VG 180/00) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06. März 2002 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin ein Versorgungsanspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zusteht.
Die 1966 geborene Klägerin stellte am 13.03.1998 bei dem Beklagten den Antrag, ihr Versorgung nach dem OEG zu gewähren. Sie leide an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung, die auf verschiedene Gewalttaten zurückzuführen sei. Erinnern könne sie sich daran, dass der Cousin ihres Vaters, I F, sie als Säugling in ihren ersten drei Lebensmonaten aus dem Bett geholt und in der Schlachterei im gleichen Hause in den Kühlräumen nackt ausgezogen habe. Anschließend habe er Spiele mit Tierblut und Messern durchgeführt und sich am Ende am mittlerweile blaugefrorenen Säugling sexuell befriedigt. Genaueres könne sie über den Cousin nicht veröffentlichen. Einer weiteren Gewalttat sei sie ausgesetzt gewesen, als ein amerikanischer Tourist sie 1987 auf einer griechischen Insel vergewaltigt habe. Es gebe in ihr noch Wissensfragmente über andere sexuelle Gewalttaten, die sie jedoch derzeit noch nicht im Detail beschreiben könne.
Der Beklagte holte Befundberichte der Gynäkologin Dr. C (31.03.1998), der Ärztin für Allgemeinmedizin C1 (20.04.1998) und der Psychotherapeutin K (20.05.1998) ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser Berichte lehnte er eine Anerkennung nach dem OEG mit Bescheid vom 12.06.1998 ab, da die Vergewaltigung durch den amerikanischen Touristen außerhalb des Geltungsbereiches des OEG stattgefunden habe und der Missbrauch in der Säuglingszeit nicht wahrscheinlich zu machen sei. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 07.07.1998 holte der Beklagte erneut einen Bericht von Frau K (22.01.1999) sowie Berichte des Leiters der Drogenberatung W, Herrn I (12.10.1999), des Psychotherapeuten S (04.10.1999), der Psychotherapeutin N (14.11.1999) und des Gestalt- und Kunsttherapeuten E (07.01.2000) ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2000, abgesandt am 14.04.2000, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Klägerin hat am 12.05.2000 Klage beim Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben. Das SG hat die Neurologin und Psychiaterin Dr. C2 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 12.04.2001 ist Dr. C2, die von der Klägerin ohne Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden ist (Beschluss vom 17.07.2001), zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin eine Borderline-Persönlichkeitsstörung vorliege. Diese könne nicht auf das von der Klägerin im Sinne eines "Flashbacks" angegebene Vergewaltigungstrauma zurückgeführt werden. Ein Säugling von drei Monaten besitze nicht die Fähigkeiten, die geschilderten Szenarien zu erfassen und sich später daran zu erinnern.
Im Weiteren hat die Klägerin einen Bericht des Evangelischen K-Krankenhauses vom 01.03.2002 über einen dortigen stationären Aufenthalt im Januar und Februar 2002 mit der Diagnose "Dissoziative Identitätsstörung" übersandt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.03.2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. C2 im Wesentlichen angeführt, dass der Nachweis der behaupteten Gewalttat in der frühkindlichen Phase nicht erbracht worden sei.
Die Klägerin hat gegen das am 21.03.2002 zugestellte Urteil am 22.04.2002 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die bei ihr bestehende Persönlichkeitsstörung durch Missbrauchshandlungen in der Säuglingszeit verursacht worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.03.2002 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.06.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2000 zu verurteilen, bei ihr eine multiple Persönlichkeitsstörung als Folge eines frühkindlichen Vergewaltigungstraumas nach dem Opferentschädigungsgesetz anzuerkennen und Versorgung in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass ein Anspruch nicht gegeben sei, weil es am Nachweis einer Gewalttat in der frühkindlichen Phase fehle. Allein aus der bei der Klägerin bestehenden Persönlichkeitsstörung könne nicht zweifelsfrei ein Rückschluss auf die von ihr angegebene Gewalttat gezogen werden.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. F vom 02.03.2003 eingeholt. Dieser hat eine "Dissoziative Identitätsstörung (DIS)" bei der Klägerin diagnostiziert. Eine solche Störung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit Folge mehrfacher schwerer physischer und/oder sexueller Traumata in der frühen Kindheit. Krankheitsbedingt seien di...