Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewaltopferentschädigung. vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff. sexueller Missbrauch in der Kindheit. Beweis. Glaubhaftmachung
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Gewaltopferentschädigung wegen der Folgen sexuellen Missbrauchs in der Kindheit (hier durch den Vater), wenn der sexuelle Missbrauch und damit ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des OEG nicht festgestellt werden konnte.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. März 2008 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen der Folgen sexuellen Missbrauchs.
Die 1969 geborene Klägerin absolvierte nach Abschluss der Realschule und dem Besuch eines Fachgymnasiums von 1988 bis 1990 Ausbildungen mit dem Abschlüssen “Geprüfte Fremdsprachensekretärin DSV„ und “Staatlich anerkannte Fremdsprachensekretärin ABW„, anschließend einen Schwesternhelferinnenlehrgang und war von November 1991 bis ca. Juli 1992 als Schwesternhelferin und von Februar 1994 bis Juli 1994 als Eisverkäuferin beschäftigt. Im Zeitraum von ca. Juni 1995 bis Juli 1997 nahm sie an einer Qualifizierungs- bzw. AB-Maßnahme als Erziehungshelferin teil. Nach Arbeitslosigkeit seit August 1997 bezog und bezieht sie seit dem 1. Juli 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Seit 1984 war die Klägerin wiederholt in psychiatrischer Behandlung. Hierzu ergibt sich aus der Akte zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes: Im Rahmen stationärer Behandlungen in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie S. vom 23. August bis 2. November 1984 und erneut vom 10. November bis 20. Dezember 1984 wurde die Diagnose einer narzisstischen Neurose bzw. Adoleszentenkrise bei narzisstischer Neurose gestellt. Im Februar 1985 erfolgte in derselben Klinik eine “Krisenintervention nach erneutem Suizidversuch„; dazwischen und danach bis 1987 wurde eine ambulante Psychotherapie in der Klinik durchgeführt. Von 1990 bis 1992 war die Klägerin bei der Psychotherapeutin R. Ra. in Behandlung, die eine Borderline-Störung annahm. Auffällig seien die sehr distanzierte Beziehung zur Mutter und die starke Abwehrhaltung gegen den Vater bei gleichzeitiger Abgrenzungsschwierigkeit. Die Klägerin neige zur positiven wie negativen Überbewertung der Eltern, insbesondere des Vaters, den sie früher stark und fehlerlos erlebt habe, jetzt fürchte. Sie ekle sich vor den Eltern. Von Anfang 1991 bis Mitte 1993 wurde die Klägerin ausweislich der Bescheinigung der Dipl.-Psychologin A. aus März 1999 außerdem durch die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern der Stadt F. betreut und seit April 1992 durch den Allgemeinarzt Dr. H. wegen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt. Wegen einer Verschlimmerung der psychischen und psychosomatischen Symptome erfolgte von März 1993 bis Januar 1994 die stationäre Behandlung in der Klinik G., wo die Diagnosen Essstörung, PTBS, Panikstörung mit Agoraphobie, Borderline-Persönlichkeitsstörung gestellt wurden. Die Klägerin gab dort u. a. an, von ihrem Vater sexuell missbraucht worden zu sein und sich an entsprechende Erlebnisse vom dritten Lebensjahr an erinnern zu können. Die sexuellen Übergriffe des Vaters hätten bis zu ihrem 10. Lebensjahr gedauert. Seit März 1994 erfolgte eine psychiatrische Behandlung durch Dr. Sa., Pro Familia. Hier wurde von einer schweren Borderline-Persönlichkeitsstörung vor dem Hintergrund frühkindlicher Vernachlässigung und fortgesetzter seelischer und körperlicher Traumatisierung und Fremdbestimmung ausgegangen. Seit August 1995 erfolgte die Behandlung durch den Psychiater Dr. Sb.; die Diagnose lautete “Borderline-Persönlichkeitsstörung„. Die Therapeutin E. von der Fa. e.V. F. bescheinigte im Rahmen der ambulanten Behandlung seit November 1998 eine schwere Borderline-Erkrankung und Panikstörung. Im Rahmen einer stationären Behandlung von März bis Juli 2000 in der Fachklinik Ha. wurden die Hauptdiagnose “Borderline-Persönlichkeitsstörung„ und die Nebendiagnosen “Posttraumatische Belastungsstörung; Panikstörung„ genannt. Die Klägerin gab dort u. a. an, der Vater habe sie im Alter von 3 Jahren bzw. bereits im Alter von 2 1/2 Jahren missbraucht; sie sei auch geschlagen und weggesperrt oder durch Kälte und Missachtung bestraft worden. Seit Oktober 2002 befand sich die Klägerin in tiefenpsychologisch fundierter psychologischer Behandlung bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Aa. M., die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung und posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierte; sexueller Missbrauch durch...