Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschiedenenwitwenrente. Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit. Kinderbetreuung

 

Orientierungssatz

Hatte eine geschiedene Ehefrau zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten Kinder zu betreuen und war ihr daher die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterhaltsrechtlich nicht zumutbar, kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß die Erträgnisse aus einer tatsächlich verrichteten Erwerbstätigkeit grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müßten. Es ist vielmehr eine Billigkeitsentscheidung zu treffen unter Berücksichtigung des Alters und der Vorbildung der unterhaltsberechtigten Frau, ihrer gesundheitlichen Verhältnisse und der Möglichkeiten der Kinderbetreuung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.05.1998; Aktenzeichen B 8 KN 8/97 B)

BSG (Beschluss vom 10.03.1998; Aktenzeichen B 8 KN 4/98 B)

BSG (Beschluss vom 09.12.1997; Aktenzeichen 8 BKn 9/97)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit wird um die Gewährung von Geschiedenen-Witwenrente geführt.

Die 1931 geborene Klägerin ist die frühere Ehefrau des Versicherten H-G J, geb. 1925, verstorben am 1977. Die Ehe wurde am 02.03.1957 geschlossen und ist durch Scheidungsurteil vom 21.05.1973 aus dem Verschulden des Versicherten geschieden worden. Aus der Ehe entstammen die Kinder R, geb. 1964 und F, geb. 1966. Am 10.10.1975 hatte der Versicherte die Beigeladene geheiratet. Aus dieser Verbindung stammt das am 03.09.1974 geborene Kind S. Die Beklagte gewährt der Beigeladenen Witwenrente und gewährte den drei Kindern Waisenrente.

Am 29.01.1974 schlossen der Versicherte und die Klägerin eine Unterhaltsvereinbarung, wonach er an die Klägerin 1/4 seines Nettoverdienstes und an seine beiden Kinder je 1/8 seines Nettoverdienstes zu zahlen hatte. In der Unterhaltsvereinbarung wurde von einem Nettoverdienst aus dem Monat August 1973 in Höhe von 2.312,15 DM ausgegangen. Zugrunde lag das Arbeitsentgelt des Klägers bei den Stahlwerken R-B. In diesem Betrieb war der Kläger bis zum 30.09.1975 beschäftigt.

Da der Versicherte seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen war, mußte die Klägerin Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Durch Versäumnisurteil vom 27.11.1974 wurde der Versicherte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 578,03 DM und für die Kinder R und F von jeweils 289,01 DM zu zahlen. In der Folgezeit ließ die Klägerin das Gehalt des Versicherten bei dessen Arbeitgeber pfänden. Sie erhielt ab 01.01.1975 1.156,05 DM (Schreiben der Fa. R-B vom 09.01.1975).

Ab Oktober 1975 war der Versicherte arbeitslos und erhielt in folgender Höhe Arbeitslosengeld, bzw. Arbeitslosenhilfe:

29.10.1975 bis 31.12.1975

319,80 DM wöchentlich

01.01.1976 bis 26.10.1976

343,20 DM wöchentlich

27.10.1976 bis 31.12.1976

292,80 DM wöchentlich

01.01.1977 bis 25.06.1977

316,20 DM wöchentlich

Vom 26.06.1977 bis 23.11.1977 erhielt er von der AOK für das Saarland arbeitstäglich einen Betrag von 52,70 DM als Krankengeld.

Vom Arbeitslosengeld bzw. der Arbeitslosenhilfe des Versicherten zweigte das Arbeitsamt Saarbrücken Unterhalt für die Kinder R und F in der Zeit vom 10.11.1975 bis 26.10.1976 in Höhe von wöchentlich 75,60 DM, vom 27.10.1976 bis 24.04.1977 von 65,10 DM und vom 25.04.1977 bis 25.06.1977 von 108,30 DM ab. Vom Krankengeld wurde ein arbeitstäglicher Betrag von 18,05 DM abgezweigt (Schreiben der AOK vom 29.03.1979). Die Beigeladene war nach ihren Angaben im Rentenantrag bis zum 05.11.1977 als Raumpflegerin beschäftigt gegen ein monatliches Nettoarbeitsentgelt von ca. 420,- DM. Sie entrichtete Beiträge zur LVA für das Saarland in Jahre 1977 nach einem Gesamtarbeitsentgelt von 7.150,- DM brutto.

Die Klägerin hatte von Januar bis August 1976 an der Universität Saarbrücken eine Tätigkeit aufgenommen, um ihre Kenntnisse als Metallografin aufzufrischen und Neuerungen hinzuzulernen. Ab 01.09.1976 war sie als Metallografin im Forschungsinstitut der T-E-Werke in K beschäftigt. Sie hatte ein Bruttoeinkommen von 2.500,- DM, nach Steuerermäßigung von 1.750,- DM netto (Angaben der Klägerin vor dem LSG für das Saarland im Termin vom 23.04.1985). Nach den Osterferien 1976 wurde der Sohn R und mit Beginn des Schuljahres 1976/1977 der Sohn F in ein Internat in St. W aufgenommen. Von 1977 an waren die Söhne R und F in einem Internat in D. Der Klägerin entstanden dadurch nach ihren Angaben Kosten in folgender Höhe je Monat:

In St. W:

Internatskosten

620,-

DM

Nebenkosten

40,-

DM bis 80,-

DM

Nachhilfestunden

240,-

DM

Benzinkosten f. Fahrten zum Internat

240,-

DM.

Internat in D:

Internatskosten

820,-

DM

Nebenkosten

100,-

DM

Nachhilfestunden

360,-

DM

Benzinkosten

60,-

DM.

Der Antrag der Klägerin vom 19.01.1978 auf Gewährung der Geschiedenen-Witwenrente wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 15.06.1978 mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe zumindest ab Aufnahme ihrer Beschäftigung keinen Anspruch auf Unterhalt gegen den Versicherten mehr gehabt. Auch habe der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode keinen Unterhalt gezahlt. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.1...

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