Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuerkennung des Merkzeichens "außergewöhnliche Behinderung"

 

Orientierungssatz

1. Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "außergewöhnliche Gehbehinderung" hat derjenige, der sich nur mit fremder Hilfe und nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Dies sind auch ausschließlich die Kriterien für eine Gleichstellung. Entscheidend ist, ob sich der Behinderte von den ersten Schritten an außerhalb seines Kraftfahrzeugs unter den genannten Bedingungen noch bewegen kann.

2. Die bloße erforderliche Nutzung eines Rollstuhls genügt hierzu nicht. Sind Wegstrecken von 50 bis 100 Metern mit Gehhilfen noch möglich und ist eine Fortsetzung der Wegstrecke über 100 Meter hinaus bei Einlegung von Pausen noch möglich, so ist eine Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 09.07.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Bei dem 1944 geborenen Kläger wurde zuletzt mit Bescheid vom 10.08.1999 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt und das Merkzeichen "G" zuerkannt. Dem lagen folgende Funktionseinschränkungen zugrunde:

1.)Funktionseinschränkung von Herz und Kreislauf (GdB 50)

2.)Gefäßverschlusskrankheit der unteren Gliedmaßen (GdB 40),

3.)Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule (GdB 20) und

4.)chronisch-obstruktive Bronchitis (GdB 30).

Im November 2005 beantragte der Kläger neben der Feststellung eines höheren GdB die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht), da er wegen Durchblutungsstörungen beider Beine und einem Gefäßverschluss im Becken nur noch eine Strecke von höchstens 100 m gehen könne. Der Antrag wurde vom damals zuständigen Versorgungsamt B mit Bescheid vom 19.01.2006 abgelehnt, wobei für die Gefäßverschlusskrankheit nunmehr ein GdB von 50 Berücksichtigung fand. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 27.01.2006 wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2006 zurück.

Am 26.03.2008 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen - auch auf die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF" gerichteten - Verschlimmerungsantrag. Zur Begründung führte er eine schwere Thrombose beider Beine und einen Verdacht auf Herzrhythmusstörungen an. Der Beklagte lehnte nach versorgungsärztlicher Auswertung eines vom behandelnden Hausarzt Dr. K eingeholten Befundberichtes den Antrag mit Bescheid vom 13.05.2008 ab; in dem Bescheid wurde als neu aufgetretenes Leiden "Zuckerkrankheit, Typ II" (GdB 10) aufgeführt. Hiergegen legte der Kläger am 30.05.2008 Widerspruch ein, in welchem er u.a angab, nicht mehr imstande zu sein, auch nur 50 m an einem Stück zu gehen. Er sei mittlerweile auf einen Rollstuhl angewiesen, den er aber wegen der chronischen Sehnenscheidenentzündung am rechten Unterarm nicht alleine bedienen und in dem er auch nicht über längere Zeit sitzen könne. Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes des behandelnden Hausarztes erkannte der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 15.12.2008 einen Gesamt-GdB von 90 an, wobei der zwischenzeitlich insulinpflichtige Diabetes mit einem GdB von 30 bewertet wurde.

Am 27.12.2008 stellte der Kläger beim Sozialgericht (SG) Aachen unter dem Az. S 17 SB 237/08 ER einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf die vorläufige Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Das SG lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 13.02.2009 mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) ab. Die hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegte Beschwerde (Az. L 10 B 6/09 SB ER) wurde vom Kläger auf entsprechenden Hinweis des Gerichts zurückgenommen.

Im Laufe des Eilverfahrens hat der Kläger am 27.01.2009 zunächst Untätigkeitsklage erhoben und diese am 11.03.2009 nach Erteilung des Widerspruchsbescheids vom 02.03.2009 durch die Bezirksregierung Münster vordringlich auf Erteilung der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" umgestellt. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass seine gesundheitlichen Leiden und die daraus resultierende Mobilitätseinschränkung nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden hätten. Der mehrfach an den Kläger gerichteten Aufforderung des SG, dem Gericht zur Beweiserhebung einen vollständig ausgefüllten Fragebogen zu ärztlichen Behandlungen und eine entsprechende Schweigepflichtenbindungerklärung zu übersenden, hat sich dieser - zuletzt mit an das SG gerichtetem Schreiben vom 07.06.2009 - verweigert.

Nach entsprechendem Anhörungsschreiben vom 26.05.2009 - dem Kläger unter dem 06.06.2009 zugestellt - hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 09.07.2009 die auf die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF" gerichtete Klage ab...

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