Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Kürzung. Steuerpflichtiger. Grenzsteuersatz. Nachbesserungsregelung des § 44e BKGG. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Ein Steuerpflichtiger mit einem Einkommen, das in der Spitze einem Grenzsteuersatz von über 50 vH unterliegt, kann sich nicht auf die unzureichende Entlastungswirkung des Kindergeldes in den Jahren 1983 bis 1985 berufen.
2. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist bei dieser Gruppe der Steuerpflichtigen nicht so intensiv, daß er im Rahmen der Pauschalierung nicht mehr hingenommen werden kann.
Tatbestand
Der Kläger streitet um ungekürztes Kindergeld (KG) für die Jahre 1983 bis 1985.
Der Kläger ist der Vater der Kinder L. (22.01.1959), A. (15.01.1960), M. (01.01.1961) U. (22.09.1962), A. (29.08.1964) und St (07.04.1967). Für seine sechs Kinder zahlte die Beklagte bis Ende 1982 KG in Höhe von 1.090,-- DM. Von Januar -1982 an erhielt er nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in der Fassung des Art. 13 Nr. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20.12.1982 (BGBl. I S. 1857) bis auf die Sockelbeträge gemindertes KG. Gegen die Höhe des KG wandte er sich anschließend erfolgreich bis an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluß vom 19.02.1991 - 1 BvR 287/86 -). Die Beklagte besserte das KG nunmehr nach § 44 e Abs. 1 BKGG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1991 vom 24.06.1991 (BGBl. I, S. 1322) mit Bescheid vom 19.09.1991 und später nach § 44e Abs. 2 BKGG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25.02.1992 (BGBl. I S. 297) mit Bescheid vom 22.04.1992 nach. Sie zahlte an den Kläger weitere 1.080,-- DM und 1.380,-- DM.
Der Kläger erhielt hiernach im Jahr 1983 von Januar bis April KG für sechs Kinder, von Mai bis August für fünf Kinder und von September bis Dezember für vier Kinder in Höhe von insgesamt 7.060,-- DM. 1984 zahlte die Beklagte KG im Januar und Februar für vier Kinder und von März bis Dezember für drei Kinder, insgesamt 4.440,-- DM. 1985 erhielt er durchgehend KG für vier Kinder in Höhe von 5.640,-- DM.
Die gegen die seiner Meinung nach unzureichende Nachbesserung des KG eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.1992 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger sich weiterhin gegen die Kürzung des KG gewandt und die Zahlung in ungekürzter Höhe beansprucht. Die Kindergeldregelungen des Steueränderungsgesetzes von 1991 und 1992 seien grundgesetzwidrig und nichtig. Der Gesetzgeber hätte die Kürzungsregelung des § 10 Abs. 2 BKGG streichen müssen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 17.02.1994 abgewiesen und die angefochtenen Bescheide bestätigt. Die Beklagte habe das KG unter Berücksichtigung der verfassungsgemäßen Nachbesserungsregelungen in zutreffender Höhe gezahlt.
Der Kläger hat gegen das ihm am 18.04.1994 zugestellte Urteil am 06.05.1994 Berufung eingelegt und in der mündlichen Verhandlung erneut seine verfassungsrechtlichen Bedenken dargelegt und hier beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm für das dritte und die weiteren Kinder in der Zeit von Januar 1983 bis Dezember 1985 das volle KG gemäß § 10 Abs. 1 Bundeskindergeldgesetz in der bis zum 31.12.1982 geltenden Fassung zu zahlen. Der Senat hat die Berufung durch Urteil vom 09.12.1994 zurückgewiesen und unter Hinweis auf die Beschlüsse des 1. Senates des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29.05.1990 und 14.06.1994 (BVerfGE 82, 60 ff sowie 91, 93 ff) ausgeführt, die steuerliche Freistellung der Existenzminima der Kinder sei unter Berücksichtigung der Nachbesserungsregelung des § 44e BKGG in den streitigen Jahren gewährleistet gewesen. Der Kläger sei weiterhin dadurch entlastet worden, daß das Finanzamt Paderborn bei der Einkommensteuer 1983 und 1984 jeweils 6 Kinderfreibeträge berücksichtigt habe.
Auf die Revision des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 27.02.1996 das Urteil des erkennenden Senates aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Ab einem Steuersatz von 37 vH unterschreite die steuerliche Gesamtentlastung des Gesamtsozialhilfebedarf im Jahr 1985 um mehr als 15 vH; in den Jahren 1983 und 1994 sei dies ab einem Steuersatz von 40 vH der Fall gewesen. Ob bei diesem Bild der Kläger persönlich betroffen sei und keine ausreichende Freistellung der Existenzminima seiner Kinder durch die Nachbesserungsregelung des 44e BKGG in den Jahren 1983 bis 1985 erfahren habe, ließe sich nur anhand der Grenzsteuersätze beurteilen, die das LSG nunmehr zu ermitteln habe. Erst wenn sich nach Beiziehung und Auswertung der Steuerbescheide für die Jahre 1983 bis 1985 ergeben sollte, daß der Grenzsteuersatz in diesen Jahren bei ca. 40 vH und höher gelegen hätte, könnte er in seiner Person aus verfassungsrechtlichen Gründen für die Jahre 1983 bis 1985 Anspruch auf höheres KG haben. Das LSG habe in seine Überlegungen einzubeziehen, daß die Grenzen der zulässigen Pauschalierung noch nicht überschritten seien, wenn Steuerpflichtige, die in der Einkommenspitze ei...