Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit beim Kurierfahrer
Orientierungssatz
1. Die Tätigkeit eines Kurierfahrers ist dann keine versicherungspflichtige Beschäftigung, wenn dieser im Wesentlichen allein entscheiden kann, ob und in welchem Umfang er tätig werden will. Die Bindung an nur einen Auftraggeber ist unbeachtlich, wenn diese den Fahrer nicht hindert, daneben noch für andere Auftraggeber tätig zu sein.
2. Für eine als Selbständiger ausgeübte Fahrertätigkeit spricht die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs und der Einsatz eigener Aushilfskräfte.
3. Hat der Fahrer umfassende Dispositionsmöglichkeiten über seine eigene Arbeitskraft und kann er seine Arbeitszeit frei gestalten, so hindert die Errechnung seines Honorars auf Stundenbasis nicht die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08. September 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand
Streitig ist die Feststellung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1).
Der im Jahre 1949 geborene Kläger hat ein Ingenieurstudium ohne qualifizierten Abschluss durchlaufen und war langjährig bis Ende 2001/Anfang 2002 bei verschiedenen Arbeitgebern als Betriebsleiter eingesetzt. Nach dem Tod seiner Ehefrau bezieht er eine Witwerrente in Höhe von 237,- Euro monatlich.
Der Kläger begann Ende August 2004 eine Tätigkeit als Kurierfahrer (Auslieferung von Paketen, Auslandsfahrten) bei der Beigeladenen zu 1), der Firma P Q D (P), einem Paket-Kurierdienst- und Transportunternehmen mit Sitz in N. Der Tätigkeit lag kein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde. Regelungen zum Urlaub und zur Lohnfortzahlung existierten nicht. Bei der Beigeladenen zu 1) waren zum damaligen Zeitpunkt 22 bis 25 Personen tätig. Acht Arbeitnehmer waren in einer versicherungspflichtigen Vollzeittätigkeit beschäftigt, die restlichen Personen waren freie Auftragnehmer bzw. Aushilfskräfte (Frührentner, Studenten). Im Unterschied zu dem Kläger, der für seine Fahrten den privaten PKW seiner Lebensgefährtin einsetzte, konnten die Aushilfskräfte (Studenten/Rentner) die firmeneigenen Fahrzeuge (9 Firmenfahrzeuge: Sprinterklasse, Caddy usw.) nutzen. Für sie wurden pauschale Beiträge zur Rentenver-sicherung abgeführt. Ihr Stundenlohn war geringer als derjenige des Klägers, der im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Aufträge ausführte und auf Stundenbasis (Stundenlohn 7,25 Euro) abrechnete. Die Auftragsvergabe bei der Beigeladenen zu 1) erfolgte im Rahmen einer Wochenplanung mit einem regelmäßigen Vorlauf von 14 Tagen. Die Disposition teilte für bestimmte Fahraufträge Personen ein. Der Kläger war bei seinen Vorsprachen bei der Beigeladenen zu 1) frei in der Auftragsannahme und konnte Aufträge jederzeit ablehnen. Es konnten die Fahrtrouten frei gewählt werden. Die Auslieferung an den jeweiligen Empfänger erfolgte in eigener Verantwortung, wobei ein bestimmter Zeitrahmen eingehalten werden musste. Vorgaben der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich Dauer, Beginn und Ende der Arbeitszeit existierten nicht. Der Kläger konnte für die Erledigung der Aufträge eigene Arbeitskräfte einsetzen. Hiervon machte er auch Gebrauch, indem zeitweise seine Lebenspartnerin die Aufträge der Beigeladenen zu 1) ausführte.
Neben der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) arbeitete der Kläger für die Zustellfirmen C E in N sowie O I in I1 in zeitlich geringerem Umfang. Für den Zeitraum ab Februar 2006 legte er Rechnungen an die I über 350,- Euro bis 500,- Euro monatlich vor. Für die Zustellfirma O I übernahm der Kläger PZU-Zustellungen von Postsendungen des Arbeitsgerichts Münster dreimal wöchentlich (montags, mittwochs, freitags).
Im Februar 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status hinsichtlich der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1). Nach Anhörung des Klägers sowie der Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte mit Statusfest-stellungsbescheid vom 26.04.2005 fest, dass der Kläger in der von ihm seit dem 30.08.2004 ausgeübten Tätigkeit als Kurierfahrer dem Grunde nach der Versicherungs-pflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Mit seinem am 24.05.2005 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch führte der Kläger aus, er sei nicht in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1) eingebunden und nicht dem Direktionsrecht dieser Firma unterworfen. Tatsächlich bestehe weder ein mündlich noch ein schriftlich fixiertes dauerhaftes Vertragsverhältnis. Er biete seine selbständige Tätigkeit im Rahmen der eigenen zeitlichen Planung der Beigeladenen zu 1) an und nehme bei Bedarf entsprechende Aufträge an. Er sei in keiner Weise verpflichtet, täglich zu bestimmten Zeiten an einem "Arbeitsplatz" zu erscheinen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbes...