nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenrente. Witwenrente. Entgeltpunkte. Spätaussiedler. Eingliederungsprinzip. Ungleichbehandlung. Grundsicherung. Authentische Interpretation. Rückwirkung. Rechtsstaatsprinzip. Verwaltungsakt
Leitsatz (redaktionell)
1. § 22b Abs. 1 S. 1 FRG in der bis zum 31.07.2004 geltenden Fassung gestattete keine Begrenzung der Entgeltpunkte bei Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Rente wegen Todes.
2. Die in § 22b Abs. 1 S. 1 FRG in der ab dem 1.8.2004 geltenden Fassung normierte Begrenzung der Entgeltpunkte bei Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Rente wegen Todes ist grundsätzlich verfassungsgemäß.
3. § 15 Abs. 3 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes bewirkt keine sog. authentische Interpretation, sondern eine echte Rückwirkung.
4. Für einen Anspruch gem. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist allein maßgebend, ob der Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses dem damals gültigen Recht entsprach.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1, Art. 116; FRG §§ 14a, 22b Abs. 1 S. 1; FANG Art. 6 § 4; SGB VI § 300 Abs. 1; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1, § 48 Abs. 1; SGG § 77
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 27.03.2003; Aktenzeichen S 15 RJ 209/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.03.2003 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 29.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 verurteilt, die Bescheide vom 09.09.1998 und 18.03.1999 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin unbegrenzte Hinterbliebenenrente gem. § 22 b Abs. 1 FRG a.F. bis maximal insgesamt 40 Entgeltpunkte nach § 22 b Abs. 3 FRG für beide Rentenleistungen vom 01.01.1997 bis 31.07.2004 zu ge- währen und aufgrund Bescheid vom 18.03.1999 vorgenommene Verrech- nungen unter Berücksichtigung etwaiger Erstattungsansprüche Dritter auszuzahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine ungekürzte Auszahlung ihrer Witwenrente neben ihrer Rente aus eigener Versicherung.
Die am 00.00.1936 geborene Klägerin ist die Ehefrau des am 08.04.1981 in der ehemaligen Sowjetunion verstorbenen Versicherten G N. Am 11.08.1996 siedelte die Klägerin aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland über. Sie ist als Spätaussiedlerin gemäß § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVG) anerkannt und bezieht aus eigener Versicherung eine Rente nach dem Fremdrentengesetz (FRG), bei deren Berechnung 25 Entgeltpunkte zu Grunde gelegt wurden.
Auf Antrag der Klägerin vom 27.09.1996 bewilligte die Beklagte zunächst mit Vorschussrentenbescheid vom 07.01.1998 eine Hinterbliebenenrente rückwirkend ab dem Tag des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland. In dem Bescheid ermittelte die Beklagte auf Grund der von dem Versicherten nach dem FRG zu berücksichtigenden Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten und beitragsgeminderte Zeiten insgesamt 28,8606 Entgeltpunkte (EP). Die Auszahlung der Leistung begrenzte die Beklagte auf 12,5 EP je Ehepartner. Die Klägerin erhob Widerspruch.
Mit Bescheid vom 09.08.1998 hob die Beklagte sodann den Bescheid vom 07.01.1998 auf. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es habe keine Verteilung der als Höchstbetrag anzunehmenden Entgeltpunkte zu erfolgen, sondern es sei die Rente mit dem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen. Die Hinterbliebenenrente käme nicht mehr zur Auszahlung, da diese einen geringeren Rentenartfaktor habe und bereits die Altersrente der Klägerin 25 Entgeltpunkten übersteige. Aus diesem Grund werde die Zahlung der Witwenrente zum 30.09.1009 eingestellt. Gleichzeitig machte die Beklagte eine Überzahlung von 8.063,39 DM geltend.
Mit weiterem Bescheid vom 18.03.1999 änderte die Beklagte den Bescheid vom 09.09.1998. Zur Begründung führte sie aus, die Versichertenrente treffe nicht schon am 11.08.1996 mit der Hinterbliebenenrente zusammen, sondern erst am 01.11.1996. Aus diesem Grund verringere sich die Überzahlung auf 7.425,62 DM.
Die Bescheide wurden bindend und die Beklagte verrechnete die Überzahlung mit der laufenden Rentenzahlung.
Am 19.12.2001 stellte die Klägerin unter Hinweis auf ein am 30.08.2001 ergangenes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) - Az. B 4 RA 118/00 R - einen Antrag auf Neufeststellung ihrer Witwenrente. Sie machte geltend, nach dieser Entscheidung sei die Rechtspraxis der Beklagten, wonach neben einer Rente aus eigener Versicherung auf der Basis von 25 Entgeltpunkten kein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente bestehe, nicht rechtmäßig.
Mit Bescheid vom 29.05.2002 lehnte die Beklagte den Neufeststellungsantrag der Klägerin nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ab. Das BSG habe in dem von der Klägerin angeführten Urteil zwar entschieden, dass § 22 b Abs. 1 a.F. FRG nach seinem Wortlaut und seiner Regelungsabsicht auf eine neben einer Versichertenrente aus eigenem Recht zustehende Hinterbliebenen...