Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt bzw Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Vermögenseinsatz. Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück. Erbengemeinschaft. Verwertungsmöglichkeiten. Erbauseinandersetzung. Schonvermögen. teilweise selbst genutztes Hausgrundstück. Angemessenheit. maßgebliche Wohnfläche. maßgebliche Vergleichsgröße. Verwertung durch Vermietung. unzureichende Mieteinnahmen. Härtefall. Elternhaus. Gesamthandsvermögen. Teilungsanordnung. Besondere Härte. Alterssicherung. Darlehen
Orientierungssatz
1. Ein Anteil an einem Hausgrundstück stellt auch bei Bestehen einer ungeteilten Erbengemeinschaft grundsätzlich verwertbares Vermögen iS des § 90 Abs 1 SGB 12 dar. Er kann durch Verkauf oder Verpfändung verwertet werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine Auseinandersetzung des Erbes nach den §§ 2042 ff BGB zu verlangen.
2. Eine Auseinandersetzung des Erbes kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 749 Abs 2 S 1 BGB auch dann verlangt werden, wenn sie durch letztwillige Verfügung des Erblassers nach § 2044 Abs 1 S 1 BGB ausgeschlossen wurde. Die Sozialhilfebedürftigkeit eines Erben ist ein solcher wichtiger Grund.
3. Für die Beurteilung der Angemessenheit eines selbst genutzten Hausgrundstücks iS des § 90 Abs 2 Nr 8 SGB 12 ist auf die Fläche abzustellen, die dem vollständigen Anteil am Gesamthandsvermögen entspricht. Dies gilt auch dann, wenn hiervon nur ein Teil selbst genutzt und ein anderer Teil vermietet wird.
4. Handelt es sich nicht um ein Familienheim mit nur einer Wohnung, sondern um ein Mehrfamilienhaus mit mehreren abgeschlossenen Wohneinheiten, ist bei der Frage nach der angemessenen Wohnfläche nicht auf den für Einfamilienhäuser geltenden § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 WoBauG 2, sondern auf den für Eigentumswohnungen geltenden § 39 Abs 1 S 1 Nr 3 WoBauG 2 zurückzugreifen.
5. Der Verpflichtung zum Einsatz von Vermögen kann eine Verwertung durch teilweise Vermietung jedenfalls dann nicht entgegengehalten werden, wenn die Mieteinnahmen den Bedarf des Hilfesuchenden nicht ausreichend decken können.
6. Ein Härtefall iS des § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 folgt nicht allein daraus, dass es sich bei der Immobilie um das Elternhaus des Hilfesuchenden handelt.
Normenkette
SGB XII § 90 Abs. 1, 2 Nr. 8, Abs. 3, § 91 S. 1, § 2 Abs. 1, § 19 Abs. 1-2, § 41; BGB § 749 Abs. 2, § 2044 Abs. 1 S. 2, § 2048
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18.10.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bzw. von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.
Die 1955 geborene, ledige Klägerin leidet an einer psychischen Erkrankung in Form einer Schizophrenie. Für sie ist mindestens seit Mitte 2005 eine Betreuung angeordnet. Bis zum 31.03.2007 bezog sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Leistungsbewilligung nach dem SGB II hob die damalige ARGE N (als Rechtsvorgängerin des heutigen Jobcenters) mit Wirkung vom 01.04.2007 wegen Wegfalls der Erwerbsfähigkeit auf (Bescheid vom 06.03.2007). Zuvor war eine dauerhafte Erwerbsminderung der Klägerin auf Grund ihrer Erkrankung durch den ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit festgestellt worden. Derzeit bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von jedenfalls 177,97 EUR monatlich (Stand: Juli 2013).
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte als ihre (damalige) Betreuerin mit Schreiben vom 27.03.2007 bei der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Klägerin über ein Girokonto mit einem Guthaben von 919,37 EUR und ein Sparbuch mit einem Guthaben von 508,24 EUR. In ihrem Antrag gab sie an, in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der I-Straße 00 in N zu wohnen, welches sie zu einem Anteil von einem Drittel von ihren Eltern geerbt habe. Den restlichen Anteil von zwei Dritteln halte ihr Bruder B C. Dem vorgelegten Ehe- und Erbvertrag der Eltern der Klägerin vom 23.07.1976 ist zu entnehmen, dass die Klägerin und ihre beiden Geschwister zu gleichen Teilen Erben des letztversterbenden Ehegatten (der Mutter der Klägerin) geworden sind. Zudem enthält der Vertrag eine Teilungsanordnung, wonach die drei Kinder Miterben zu gleichen Teilen werden sollten. Die Erbengemeinschaft solle dahingehend aufgelöst werden, dass der Bruder die Nutzung des Erdgeschosses, die Schwester die Nutzung der zweiten Etage und die Klägerin die Nutzung der ersten Etage erhalte; das Dachgeschoss (35 m²) sollte allen dreien gemeinschaftlich zustehen. Den Anteil der bereits verstorbenen Schwester erwarb zwischenzeitlich der Bruder der Klägerin. Entsprechend der Verfügung der Eltern bewohnt die Klägerin eine 72 m² große Wohnung im ersten Obergeschoss. Aus d...