Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. kein Anspruch auf Pflegegeld in voller Höhe bei Unterbringung in vollstationärer Pflegeeinrichtung. Anspruch auf Pflegegeld in anteiliger Höhe bei Unterbringung in stationärer Einrichtung iS von § 71 Abs 4 SGB 11
Orientierungssatz
1. Bei Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung oder einer Einrichtung iS des § 71 Abs 4 SGB 11 sind Pflegeleistungen bei häuslicher Pflege in Höhe des vollen Pflegegeldes ausgeschlossen.
2. In Fällen zeitweiser häuslicher Pflege bei ansonsten stationärer Unterbringung besteht lediglich dann ein Anspruch auf anteiliges Pflegegeld, wenn es sich um stationäre Einrichtungen iS des § 71 Abs 4 SGB 11 handelt, in denen also die medizinische Versorgung oder Rehabilitation, die berufliche soziale Eingliederung, die schulische Ausbildung oder die Erziehung Kranker oder Behinderter im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung steht, sowie Krankenhäuser, und die Pflege somit nachrangig ist (vgl ua BSG vom 17.5.2000 - B 3 P 2/99 R = SozR 3-3300 § 37 Nr 2).
Tatbestand
Die Klägerin streitet um die Leistung von Pflegegeld aus der Sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04.1995 bis zum 30.06.1996.
Die jetzt 43-jährige Klägerin leidet an multipler Sklerose. Ihr Ehemann ist im Oktober 1995 zu ihrem Betreuer eingesetzt worden. Bis September 1993 lebte die Klägerin mit ihrem Ehemann im eigenen Haus. Während dessen berufsbedingter Abwesenheit wurde sie durch eine Pflegerin und in der übrigen Zeit von ihrem Ehemann gepflegt. Seit dem 13.09.1993 ist sie im "Haus am Römerkanal", Altenhilfezentrum der Diakonie, R, untergebracht und wird vom dortigen Pflegepersonal versorgt.
Auf ihren Antrag wurde die Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum von ihrer Beitragspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung befreit (Art.47 Gesetz zur Sozialen Absicherung des Risikos der Pflegeversicherung -- Pflegeversicherungsgesetz -- PflegeVG -- vom 26.05.1994). Seit dem 01.07.1996 erbringt die Beklagte Leistungen wegen vollstationärer Pflege. Seit diesem Zeitpunkt ist die Klägerin in die Pflegestufe III eingestuft.
Von der Barmer Ersatzkasse (BEK) -- Krankenkasse bezog sie mit Bescheid vom 14.03.1991 ab März 1991 monatlich 400 DM zur Unterstützung der häuslichen Pflege. Nachdem ihr von der Heimleitung im Februar 1995 die Unterbringung der Klägerin seit dem 13.09.1993 gemeldet worden war, stellte die BEK -- Krankenkasse ihre Zahlungen ein. Der letzte Betrag wurde am 02.02.1995 überwiesen. Auf die Anhörungsmitteilung der BEK vom 01.03.1995, mit dem diese auf ihre Absicht, die zuviel gezahlten Leistungen zurückfordern, hingewiesen hatte, trug die Klägerin vor, die Voraussetzungen für die Weitergewährung der eingestellten Leistungen lägen vor; denn sie bedürfe in vollem Umfang fremder Hilfe. Ihr Ehemann hole sie regelmäßig freitags nach Hause und bringe sie sonntags wieder in das Heim zurück. Dadurch solle der Kontakt zur Familie aufrechterhalten bleiben und ihre gesundheitliche Situation stabilisiert werden.
Mit Bescheid vom 22.11.1995 zog die BEK zunächst ihr Schreiben vom 01.03.1995 zurück. Die Zahlung von Pflegegeld für die Zeit vom 01.04.1995 bis 30.06.1996 lehnte sie ab, weil der Anspruch auf Geldleistungen nach § 57 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) -- gesetzliche Krankenversicherung -- ende, wenn die Pflege im häuslichen Bereich nicht mehr fortgeführt werde. Mit ihrem rechtzeitig erhobenen Widerspruch machte die Klägerin unter Hinweis auf ihren Vortrag im Anhörungsverfahren geltend, eine Vollunterbringung in dem Pflegeheim erfolge nicht. Die Leitung des Heimes "Haus am Römerkanal" bescheinigte am 02.06.1996 die stationäre Pflege der Klägerin. Der Ehemann der Klägerin habe diese zur Stabilisierung ihrer psychischen Verfassung bisher regelmäßig an Wochenenden, Feiertagen und in seinem Urlaub abgeholt und die Pflege im eigenen Haushalt bzw. in der Familie erbracht. Dies sei nach dem Heimvertrag möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege in der Zeit vom 01.04.1995 bis 30.06.1996 bestehe nicht, weil seit September 1993 eine vollstationäre Pflege stattfinde und die Voraussetzung für Leistungen bei häuslicher Pflege, nämlich die Führung eines eigenen Haushaltes oder die Aufnahme in einen fremden Haushalt, nicht gegeben sei.
Mit ihrer beim Sozialgericht (SG) am 04.10.1996 erhobenen Klage hat die Klägerin noch einmal darauf hingewiesen, dass eine 100%ige Unterbringung oder Betreuung in dem Pflegeheim nicht gewährleistet sei, obwohl sie den vollen Betrag für die Heimunterbringung bezahlen müsse. An den Tagen, an denen sie ihr Ehemann aus dem Heim nach Hause hole, würde häufig Pflege von mehr als 14 Stunden täglich erbracht. Die Beklagte müsse sich zumindest an den anfallenden Heimunterbringungskosten beteiligen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.1996 zu verurt...