Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. statistische Prüfmethode. offensichtliches Mißverhältnis. Praxisbesonderheit. niedrige oder unterdurchschnittliche Scheinzahl

 

Orientierungssatz

1. Erst aufgrund einer Zusammenschau der statistischen Erkenntnisse und der den Prüfgremien erkennbaren medizinisch-(zahn)ärztlichen Gegebenheiten läßt sich beurteilen, ob die vorgefundenen Vergleichswerte die Annahme eines offensichtlichen Mißverhältnisses und damit den Schluß auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise rechtfertigen (vgl BSG vom 9.3.1994 - 6 RKa 18/92 = BSGE 74, 70).

2. Auch in Ansehung der den Prüfgremien obliegenden Verpflichtung zu einer ergänzenden intellektuellen Prüfung trägt der geprüfte (Zahn)Arzt die Darlegungs- und auch Feststellungslast für das Vorliegen von Praxisbesonderheiten und deren Auswirkungen auf die Fallkosten (vgl BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 = SozR 3 - 1300 § 16 Nr 1). Die Schilderung einzelner aufwendiger Behandlungsfälle genügt insoweit nicht.

3. Auch eine niedrige oder unterdurchschnittliche Scheinzahl stellt keine Praxisbesonderheit dar. Rechtserhebliche Praxisbesonderheiten sind nur solche Umstände, die aus einem besonderen Behandlungsbedarf des jeweiligen Patientenklientels herrühren (sog Morbiditätsstruktur der Patienten).

4. Eine zu niedrige Fallzahl kann im statistischen Prüfverfahren nur insoweit von Bedeutung sein, als damit möglicherweise (Fall-)zahlenbereiche unterschritten werden, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist (vgl BSG vom 2.9.1987 - 6 RKa 8/87 = SozR 2200 § 368n Nr 50).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den Quartalen I bis III/1993.

Der Kläger ist seit Dezember 1992 als Zahnarzt in O. niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Behandlung zugelassen. In den genannten Quartalen rechnete er 101, 116 und 158 Behandlungsfälle ab. Seine Gesamthonoraranforderungen im konservierendchirurgischen Bereich überschritten mit Fallwerten von DM 287,29, DM 253,56 und DM 231,71 den Fachgruppendurchschnitt der Vergleichsgruppe A 1 um 219,56 %, 185,79 % und 163,99 %. Auf den gemeinsamen Antrag der Primär- und Ersatzkassen vom 18.08.1994 kürzte der Prüfungsausschuß D. mit Bescheid vom 16.03.1995 die Honoraranforderungen des Klägers in den Quartalen I und II/1993 jeweils auf Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um 100 % und im Quartal III/1993 um 70 %, entsprechend insgesamt 32.721 Punkten bzw. einem Betrag von DM 49.097,52.

Dem dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers half der Beklagte mit Bescheid vom 15.11.1995 teilweise ab, indem er die Kürzungen auf Überschreitungen der Durchschnittswerte um 100% und 70 % auf die Werte der Vergleichsgruppe B 1 bezog und die Kürzung damit auf insgesamt 31.215 Punkte (=DM 46.837,34) reduzierte. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, eine statistische Vergleichsprüfung sei auch angesichts der niedrigeren Fallzahlen des Klägers möglich gewesen. Hinsichtlich der geltend gemachten chirurgischen Tätigkeit habe der Kläger auf Befragen seine Angaben im einzelnen nicht beziffern können. Die Durchsicht der statistischen Unterlagen habe zudem keinen erhöhten Anteil an chirurgischen Leistungen ergeben. Zudem habe der Kläger die wirtschaftlichen Auswirkungen der dem Grunde nach anzuerkennenden Praxisbesonderheiten nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt. Unter Würdigung der vorgetragenen Widerspruchsbegründung "Neupraxis" und "viele neue Patienten" habe der Beklagte einen Mehraufwand für die Quartale I/1993 und II/1993 von je + 100 % sowie für das Quartal III/1993 von + 70 % festgesetzt und den unwirtschaftlichen Mehraufwand auf der Grundlage der günstigsten Vergleichsgruppe - hier B 1 - dementsprechend geschätzt.

Gegen den ihm am 16.11.1995 zugestellten Bescheid des Beklagten hat der Kläger am 28.11.1995 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Zu deren Begründung hat er gerügt, der Beklagte habe hinsichtlich der von ihm anerkannten Praxisbesonderheiten "Neupraxis" und "viele neue Patienten" die Höhe der gewährten Toleranzen nicht nachvollziehbar begründet und sei den geltend gemachten besonderen Praxisumständen "weniger als 300 Patienten im Quartal" und "viel Chirurgie" nicht nachgegangen. Bei niedrigeren Fallzahlen sei erfahrungsgemäß in einem Quartal ein höherer Behandlungsaufwand zu bewältigen, ohne daß sich der Aufwand insgesamt ändere. Soweit der Beklagte dem Hinweis auf eine überdurchschnittliche Anzahl chirurgischer Leistungen nicht nachgegangen sei mit dem Argument, die wirtschaftlichen Auswirkungen seien nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt worden, falle dies im Rahmen der intellektuellen Prüfung in seine Amtsermittlungspflicht.

Die Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 1995 /Beschluß vom 27. September 1995 zu verurteilen, über seinen Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses D. vom 16. Mä...

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