Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit einer jüdischen Verfolgten in Rumänien zum deutschen Sprach- und Kulturkreis. Sprachbeherrschung. Mehrsprachigkeit
Orientierungssatz
1. Für die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) kommt es vorrangig auf die Sprache an (vgl ua BSG vom 10.3.1999 - B 13 RJ 83/98 R = SozR 3-5070 § 20 Nr 7).
2. Bei Mehrsprachigkeit kann ein Verfolgter dem dSK zugerechnet werden, wenn er die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend verwendet hat. Es ist dabei grundsätzlich zu verlangen, dass die Deutschkenntnisse mindestens ebensogut sind wie die Kenntnisse in einer anderen Sprache. Eine Gesamtwürdigung aller Umstände ist vorzunehmen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem der Klägerin bewilligten Altersruhegeld rentensteigernd eine Beitrags- bzw Beschäftigungszeit vom September 1939 bis Juni 1941 zu berücksichtigten ist. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Klägerin dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) zugehörig ist.
Die 1926 in S. (H.)/Rumänien geborene Klägerin ist anerkannte Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Sie besuchte von 1932 bis 1939 die Volksschule mit Deutsch als Unterrichtsfach. In der Zeit von 1941 bis 1944 war die Klägerin nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt. Hierzu hatte die Klägerin im Entschädigungsverfahren unter Vorlage von eidlichen Erklärungen von H. B. und I. L. vom 07.08.1960 angegeben, sie habe vor dem Kriege wie auch bei Kriegsausbruch im Jahre 1939 in C. gewohnt. Nach der Besetzung der Stadt durch die Deutschen hätten die Judenverfolgungen mit der Verpflichtung zum Tragen von Kennzeichen begonnen. Im Oktober 1941 seien sie gemeinsam aus C. deportiert worden. Nach der Verfolgung lebte die Klägerin von 1944 bis 1946 in A../Rumänien und von 1946 bis 1947 auf Zypern. Im Jahre 1947 wanderte sie über Palästina nach Israel ein, dessen Staatsangehörigkeit sie seit 1948 besitzt.
Mit Schreiben vom 04.07.1994 beantragte die Klägerin die Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung von Zeiten der Verfolgung als Ersatzzeit und Zeiten einer Beschäftigung als Fremdbeitragszeit. Sie erklärte hierzu, sie sei im September 1939 als Arbeiterin in die Strickerei von S. A. eingetreten. Diese habe sich in S., . ., befunden. Bis zum Beginn der Verfolgung im Juni 1941 habe sie dort an einer Strickmaschine gearbeitet und sei ganztägig unter Bezahlung eines Gehalts beschäftigt gewesen. Umgangssprache in ihrem Elternhaus sei Deutsch gewesen. In dem entsprechenden Vordruck der Beklagten zur Überprüfung der Zugehörigkeit zum dSK gab die Klägerin als ihre und Muttersprache ihrer Eltern jeweils die deutsche Sprache an. Die jiddische Sprache sei weder von ihrem Vater noch von ihrer Mutter gesprochen worden. Ihr Vater habe im Beruf auch die rumänische und ungarische Sprache verwandt.
Die Klägerin bezog sich auf eine schriftliche Erklärung von E. P. vom 04.08.1996, der angab, er sei in der Nachbarschaft der Klägerin aufgewachsen und Schüler des Vaters der Klägerin gewesen. Die Klägerin habe in S. in der Strickerei von A. S. ganztags unter Bezahlung eines Gehalts gearbeitet. Da er sehr oft im Elternhaus der Klägerin gewesen sei, könne er bestätigen, dass die Umgangssprache in ihrem Elternhaus die deutsche Sprache gewesen sei. Er selbst habe mit der Klägerin Deutsch gesprochen. Auch S. W. machte in einer Erklärung vom 04.08.1996 inhaltsgleiche Ausführungen zu der von der Klägerin behaupteten Beschäftigung und führte aus, sie habe die Klägerin fast täglich besucht und könne bestätigen, dass in ihrem Elternhaus die Umgangssprache Deutsch gewesen sei.
Auf Veranlassung der Beklagten führte das Israelische Finanzministerium bei der Klägerin eine Sprachprüfung durch. Auf den Inhalt des Sprachprüfungsprotokolls vom 06.12.1995 wird verwiesen. Weiter nahm das Israelische Finanzministerium am 25.02.1996 ein Gespräch mit der Klägerin mit einem Tonprotokoll auf.
Mit Bescheid vom 10.12.1996 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, die Zugehörigkeit der Klägerin zum deutschen Sprach- und Kulturkreis sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Die Feststellungen des Sprachprüfers bzw. der Kommission reichten hierfür nicht aus. Mit ihrem Widerspruch vom 23.12.1996 machte die Klägerin geltend, bei der Beurteilung ihrer Sprachfähigkeiten sei zu berücksichtigen, dass sie bereits 1947 nach Israel ausgewandert und heute stark sehbehindert sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 11.04.1997 Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Sie hat vorgetragen, in der Kommunikation zwischen ihr und ihrer Mutter sei Deutsch die vorherrschende Umgangssprache im Elternhaus gewesen. Sie habe nur in S. gewohnt und gearbeitet. Sie könne sich die Angaben im Entschädigungsverfahren nicht erklären. Der damalige Rech...