Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Sozialversicherungsfreiheit. Praktikum eines Bewerbers um die Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE in einer Ausbildungsfahrschule nach fünfmonatiger Ausbildung in einer Fahrlehrerausbildungsstätte. Kontrollfunktion der Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen

 

Orientierungssatz

1. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 6.10.1988 - 1 RA 53/87 = SozR 2200 § 1232 Nr 26 und vom 3.2.1994 - 12 RK 78/92 = SozR 3-2500 § 5 Nr 15) sind Praktika nur dann - versicherungsfreie - Teile des Studiums und damit Unterrichtsveranstaltungen, wenn das maßgebende Hochschul- oder Fachhochschul- bzw Fachschulrecht die Praktika ausdrücklich als Teile des Studiums bezeichnet und deren Durchführung in der Hand der Hochschule liegt oder wenn die Praktika durch Hochschul-, Fachhochschul- bzw Fachschulrecht bzw durch die Hochschule/Fachhochschule/Fachschule selbst geregelt und gelenkt werden, etwa von dieser praxisbegleitende Lehrveranstaltungen angeboten werden und die praktischen Ausbildungsstellen der Anerkennung durch die Hochschule/Fachhochschule/Fachschule bedürfen (hier: viereinhalbmonatige praktische Ausbildung eines Bewerbers um die Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE in einer Ausbildungsfahrschule nach fünfmonatiger Ausbildung in einer Fahrlehrerausbildungsstätte).

2. Die Prüfbehörden sollen bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB 4 einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen (vgl BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R = SozR 4-2400 § 22 Nr 2 und vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 = SozR 2200 § 1399 Nr 11).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.07.2011; Aktenzeichen B 12 R 16/09 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 24. April 2008 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) bis 6) während eines Praktikums zur Fahrlehrerausbildung im Betrieb des Klägers im Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2005.

Der Kläger ist Inhaber einer anerkannten Ausbildungsfahrschule in B. Er bildete im streitigen Zeitraum in seinem Betrieb die sechs o. g. Beigeladenen aus, die eine Fahrlehrererlaubnis nach § 1 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen (Fahrlehrergesetz (FahrlG)) - hier der Klasse BE (Einteilung der Fahrerlaubnis nach Art. 3 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 29.07.1991 über den Führerschein, Amtsblatt (ABl.) EG Nr. L 237 S. 1, siehe auch § 6 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung, sog. FeV)) - erwerben wollten (sog. Fahrlehreranwärter, vgl. § 22 Abs. 1 FahrlG). Der Kläger schloss mit den Beigeladenen zu 1) bis 6) sog. Praktikumsverträge. Tatsächlich ergaben sich, z. T. abweichend von den schriftlichen Verträgen, folgende Praktikumszeiten im Betrieb des Klägers:

Beigeladener zu 1) (T I): 01.01.2003 - 21.05.2003; Beigeladener zu 2) (Q U): 01.05.2005 - 13.10.2005; Beigeladener zu 3) (I F): 15.07.2004 - 12.01.2005; Beigeladener zu 4) (I1 I1): 01.01.2002 - 26.02.2003; Beigeladener zu 5) (N W, geb. T): 01.05.2003 - 13.11.2003; Beigeladener zu 6) (K T1): 11.07.2005 - 31.08.2005.

Zu Beginn des praktischen Teils ihrer Ausbildung zum Fahrlehrer in der Ausbildungsfahrschule des Klägers hospitierten die Beigeladenen zu 1) bis 6) zunächst bei den erteilten praktischen und theoretischen Unterrichtseinheiten der Fahrschüler. Nach einiger Zeit wurden ihnen "eigene" Fahrschüler zugewiesen, denen sie eigenständig Fahrunterricht erteilten. Auch hielten sie nach der Zeit der Hospitation selbständig Theoriestunden für die Fahrschüler ab. Die regelmäßige Anwesenheit der Fahrlehreranwärter in der Ausbildungsfahrschule lag bei ca. vierzehn Wochenstunden, wobei sie bei der konkreten Verteilung relativ frei waren, sich aber an den Belangen der zugeteilten Fahrschüler orientieren mussten. Insgesamt lag das vorgeschriebene Volumen bei mindestens 360 Stunden (bei vorgegebenen Lernthemen). In der Regel hatten die Fahrlehreranwärter freitags keine Einsätze in der Ausbildungsfahrschule, sondern dieser Tag wurde ihnen - als Studientag - zur freien Gestaltung überlassen. Die Dauer des Praktikums sollte viereinhalb Monate nicht unter- und neun Monate nicht überschreiten. Die Länge des Praktikums hing innerhalb dieses Rahmens von der individuellen Einschätzung des Fahrlehreranwärters ab, wann sich dieser als befähigt ansah, die abschließende Prüfung abzulegen. Zum Teil zahlte der Kläger bis zu 410,00 EUR monatlich an die Fahrlehreranwärter; soweit diese über ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge