Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung für die Heizkosten. fehlender Kommunaler Heizspiegel. Überschreitung des Grenzwertes nach Bundesweitem Heizspiegel
Orientierungssatz
Bei der Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten ist nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 ein konkret-individueller Maßstab anzulegen. Liegen die Heizkosten über einem aus einem bundesweiten oder kommunalen Heizspiegel zu ermittelnden Grenzbetrag, so sind sie im Regelfall nicht mehr als angemessen zu betrachten. Maßgeblich abzustellen ist hierbei auf den zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlichten Heizspiegel. Der Grenzbetrag errechnet sich aus dem Produkt des Wertes, der auf "extrem hohe" Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet (rechte Spalte), und des Wertes der abstrakt angemessenen Wohnflächengrenze in Quadratmetern. Darüber hinausgehende Heizkosten entstehen dann offensichtlich aus einem Verbrauch, der dem allgemeinen Heizverhalten in der Bevölkerung (auch bei älterem Wohnraum mit unterdurchschnittlichem Energiestandard) nicht mehr entspricht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 21.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2010 Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 in Höhe von monatlich 271,57 EUR zu bewilligen.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen für Heizkosten umstritten.
Die am 00.00.1970 geborene Klägerin bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie bewohnt seit April 2004 eine Wohnung in der M-Straße in I mit einer Wohnflächengröße von 48 qm. Laut Mietvertrag belief sich die monatliche Miete ursprünglich auf 153,60 EUR, die monatliche Nebenkostenvorauszahlung - ohne Heizung und Warmwasser - auf 34,25 EUR. Die Wohnung wird mit Gas beheizt. Der monatliche Abschlag für Gas betrug im Jahr 2004 57,00 EUR. Die Wohnung befindet sich in einem Haus mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 300 m2, wobei das Haus um das Jahr 1900 errichtet wurde. Die Zubereitung des Warmwassers erfolgt nicht über die Heizungsanlage, der Heizkessel des Etagenheizofens befindet sich im Wohnzimmer der Wohnung der Klägerin. Während die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) zunächst die Heizkosten in voller Höhe übernahm, kürzte sie mit Bescheid vom 22.12.2005 die Leistungen unter Berücksichtigung der Richtlinien der Stadt I für die Zeit ab dem 01.02.2006 auf 0,86 EUR/qm und bewilligte fortan 41,28 EUR pro Monat für Heizkosten. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, in dem sie vortrug, die hohen Heizkosten seien auf die baulichen Gegebenheiten zurückzuführen. Der Beklagte wies den Widerspruch am 22.02.2006 zurück. Im Zeitraum vom 11.01.2005 bis 04.01.2006 verbrauchte die Klägerin ausweislich der Abrechnung ihres Energieversorgungsunternehmens, der Stadtwerke I, 15.120 kWh Gas. Den Antrag auf Übernahme einer Nachforderung in Höhe von 67,00 EUR für Gas lehnte der Beklagte ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte zurück.
Im Rahmen eines Klageverfahrens (S 11 AS 72/06 SG Gelsenkirchen) verpflichtete sich der Beklagte zur Übernahme von Heizkosten in Höhe von 67,00 EUR ab dem 01.02.2006 und von 87,00 EUR für die Zeit vom 01.03.2006 bis 31.05.2006.
Ausweislich der Rechnung vom 14.01.2008 verbrauchte die Klägerin in der Zeit vom 05.01.2006 bis 04.01.2007 12.325 kWh und in der Zeit vom 05.01.2007 bis 04.01.2008 insgesamt 16.066 kWh Gas. Für die Zeit ab Februar 2008 erhöhte sich der monatliche Abschlag für Gas auf 97,00 EUR.
Ab dem 01.04.2008 übernahm der Beklagte Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 189,45 EUR Miete und Nebenkostenvorauszahlungen sowie 92,00 EUR Heizkosten, mithin monatlich 281,45 EUR.
Am 29.01.2009 legte die Klägerin die Abrechnung der Stadtwerke I für den Zeitraum vom 05.01.2008 bis 06.01.2009 vor, wonach der Gasverbrauch 19.186 kWh betrug. Die monatlichen Vorauszahlungen für Gas erhöhten sich auf 133,00 EUR. Mit Bescheid vom 29.01.2009 übernahm der Beklagte die Heizkostenvorauszahlungen in dieser Höhe und bewilligte für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 31.05.2009 Kost für Unterkunft und Heizung in Höhe von 322,45 EUR.
Mit Schreiben vom 29.01.2009 wurde der Klägerin von dem Beklagten mitgeteilt, die Prüfung ihrer Heizkosten habe ergeben, dass diese unangemessen hoch seien. Dabei erachtete der Beklagte einen jährlichen Verbrauch von 148 kWh/m2 für angemessen. Der Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass - sollte sie sich nicht bemühen, die Heizkosten zu senken - ab dem 01.06.2009 nur noch die als angemessenen angesehenen Kosten übernommen werden würden...