Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Nachweis einer wirksamen Beitragserstattung
Orientierungssatz
1. Eine rechtswirksame Beitragserstattung i. S. von § 210 SGB 6 setzt voraus, dass ein Erstattungsantrag, ein wirksamer Erstattungsbescheid und eine rechtswirksame befreiende Bewirkung der Leistung vorliegen. Die Beweislast trägt der Versicherungsträger.
2. Ein durch eigenen Antrag und durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verfahren lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass die geschuldete Leistung bewirkt worden ist.
3. Der elektronische Gesamtkontospiegel ist keine öffentliche Urkunde i. S. des § 415 Abs. 1 ZPO. Aus der bloßen Speicherung von Daten in einem elektronischen Gesamtkontospiegel lässt sich nicht mit der nötigen Sicherheit entnehmen, dass ein vollständiges Beitragserstattungsverfahren stattgefunden hat.
4. Ist ein Geschehensablauf, der den Schluss auf eine Beitragserstattung an den Versicherten zulässt, nicht erwiesen und bestehen aufgrund persönlicher Angaben des Versicherten begründete Zweifel an einer Beitragserstattung, so fehlt es an der erforderlichen erwiesenen Tatsachenlage, um den Beweis einer durchgeführten Beitragserstattung zu führen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.10.2012 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 verurteilt, an den Kläger EUR 13.198,39 zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Beiträgen.
Der im März 1948 in der Türkei geborene türkische Kläger war (nach Berufstätigkeit und Wehrdienst in der Türkei) vom 24.5.1973 bis zum 30.9.1982 im deutschen Steinkohlebergbau versicherungspflichtig beschäftigt; zuletzt war er im Bergwerk F/D der Eschweiler Bergwerks-Verein (EBV) AG in I tätig. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, weil der Kläger seit dem 18.10.1982 ohne Entschuldigung der Arbeit fern geblieben sei (Schreiben vom 28.10.1982, gerichtet an die Anschrift des Klägers in der Türkei). In der Türkei war der Kläger bis Dezember 1991 und erneut ab Februar 1992 bis August 1995 berufstätig. Auf seinen Antrag vom August 1995 bewilligte ihm der türkische Rentenversicherungsträger ab dem 1.9.1995 eine Rente, die allein auf türkischen Zeiten beruht.
Im September 2004 ging bei der Beklagten (damals noch "Bundesknappschaft, seit dem 1.10.2005 "Deutsche Rentenversicherung Knappschaft - Bahn - See (DRV KBS)") ein Schreiben eines P I aus B als "Bevollmächtigtem" in der "Rentenangelegenheit Herr L" ein, dem eine handschriftliche "Vollmacht" beigefügt war. Er bitte um Mitteilung, ob der Versicherte seine Rente monatlich oder die ganze Rente zusammen bekommen könne. Auf diesem Schreiben befand sich ein handschriftlicher Vermerk, worin es heißt, der Betroffene habe Deutschland am 17.8.1982 freiwillig verlassen. Die Beklagte fertigte unter dem 29.9.2004 einen Ausdruck aus dem elektronisch gespeicherten Versicherungskonto des Klägers (sog. Gesamtkontospiegel) und entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Beitragserstattung habe. Die nach den elektronisch gespeicherten Daten von ihm in der Zeit vom 24.5.1973 bis zum 30.9.1982 zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge in Höhe von DM 25.813,80 seien mit Bescheid vom 20.3.1985 erstattet worden (Bescheid vom 02.11.2004, gerichtet an die Anschrift des Klägers in der Türkei, bekannt gegeben wohl nur dem "Bevollmächtigten" I).
Im November 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer (Alters -)Rente. Er habe von Januar 1973 bis zum 14.8.1982 in Deutschland "im Eschweiler Bergwerk" gearbeitet. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab, weil auf die Wartezeit anrechenbare deutsche Versicherungszeiten nicht mehr vorhanden seien. Die vom 24.5.1973 bis 30.9.1982 entrichteten Beiträge seien ihm mit Bescheid vom 20.3.1985 erstattet worden. Dies führe dazu, dass das Versicherungsverhältnis endgültig aufgelöst sei (Bescheid vom 12.2.2008). Mit seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass er keine Beitragsrückerstattung beantragt oder erhalten habe. Er bitte um Übersendung einer Kopie seines Antrags, damit er das Vorbringen der Beklagten prüfen könne. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Dem Kläger sei bereits im November 2004 mitgeteilt worden, dass die in Deutschland gezahlten Beiträge erstattet worden seien (Widerspruchsbescheid vom 14.7.2008).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund (Vorprozess, Aktenzeichen (Az) S 6 KN 236/08) machte der Kläger geltend, er habe den behaupteten Erstattungsbetrag nicht erhalten. Ein P I sei von ihm nicht beauftragt worden, die vorgelegte Vollmacht enthalte nicht seine Unterschrift. Die Beklagte legte dort einen (verschlüsselten) Ausdruck der bei ihr elektronisch gespeicherten Daten des Klä...