Entscheidungsstichwort (Thema)
Stationäre Kartenhausbehandlung. Brustverkleinerung. Krankheit. Entstellung. Psychische Beeinträchtigung. Wirbelsäulenschaden. Fachorthopädische Behandlung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Krankheit im Sinn des SGB V liegt nur vor, wenn der Betroffene in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt.
Normenkette
SGB V § 27 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 20. Juni 2003 geändert. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der am ... 1956 geborenen Klägerin ein Anspruch auf eine stationäre Krankenbehandlung zur Durchführung einer Mammareduktionsplastik zusteht.
Am 18.01.2000 beantragte die bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Klägerin die oben genannte Leistung unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ihres behandelnden Gynäkologen Prof. Dr. M, St. D-Hospital T. Dieser hatte unter dem 11.01.2000 eine erhebliche Hyperplasie beider Mammae bei psychischer Beeinträchtigung bestätigt. Wegen der Gefahr späterer Wirbelsäulenschäden sei eine Mammareduktionsplastik mit Gewichtsreduzierung von zumindest je 700 bis 800 g medizinisch indiziert.
Frau Dr. N, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe, konnte nach körperlicher Untersuchung der Klägerin am 11.02.2000 keinen krankhaften Befund der Mammae und lediglich diskrete Schultermyogelosen beidseits bei ansonsten nicht eingeschränkter Funktion der Wirbelsäule und der Gelenke feststellen. Aus den daraufhin von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen von Dr. Q, Arzt für Orthopädie aus C, sowie von Priv.-Doz. Dr. I, Leiter der Psychotherapie und Psychiatrie im St. K-Hospital in P, vom 03.05. bzw. 17.04.2000 ergaben sich rezidivierende Tendomyopathien der Schulter-Nacken-Partie und des cervicothorakalen Übergangs bei Makromastie und dadurch bedingter vermehrter kyphotischer Fehlhaltung des cervicothorakalen Übergangs sowie eine erhebliche psychische Belastung der Klägerin seit der Pubertät durch die Hyperplasie beider Mammae.
Nachdem der mit der erneuten Begutachtung der Klägerin befasste Arzt W. M1, MDK Westfalen-Lippe, wiederum keinerlei funktionelle Defizite und keine Schmerzhaftigkeit infolge orthopädischer Leiden festgestellt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik mangels medizinischer Indikation ab.
Zur Begründung ihrer am 24.11.2000 zum Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass aus gynäkologischer, orthopädischer und neuro-psychiatrischer Sicht der sie behandelnden Fachärzte zu der Mammareduktionsplastik geraten werde. Durch die eingeholten Befundberichte und das Sachverständigengutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat sie sich bestätigt gesehen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 zu verurteilen, die Kosten für eine Mammareduktionsplastik zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig erachtet. Die bestehende Mammahypertrophie stelle keine Krankheit dar. Die gemessenen Werte lägen in der Variationsbreite einer weiblichen Brust. Darüber hinaus fehle es an manifesten orthopädischen Störungen von Seiten der Hals- oder Brustwirbelsäule (BWS) bzw. der Schultermuskulatur.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Gynäkologe Dr. L, der Orthopäde Dr. Q und der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. C haben eine Mammareduktionsplastik wegen der Makromastie beidseits sowie der seit Jahren bestehenden belastungsabhängigen Schmerzen im Bereich der Schulter-Nacken-Region und BWS, die durch Gymnastik/Muskelaufbautraining keine wesentliche Besserung erfahren hätten, sowie zur Vermeidung psychosomatischer Störungen empfohlen.
Außerdem hat das Sozialgericht gemäß § 106 SGG ein Gutachten des Arztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. (NL) T, Orthopädische Abteilung des St. N-Hospitals C, eingeholt. In seinem Gutachten vom 07.06.2001 hat der Sachverständige aufgrund körperlicher Untersuchung der Klägerin am 29.05.2001 und unter Einbeziehung eines radiologischen Zusatzgutachtens von Dr. L1 folgende Diagnosen gestellt: Makromastie beidseits, schmerzhafte Myotendinosen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) beidseits bei freier Funktion ohne Hinweise auf eine Nervenwurzelreizsymptomatik sowie statisch-dynamische Beschwerden im Bereich der BWS mit Zeichen einer minimalen doppelt S-förmigen Seitverbiegung der Brust-/Lendenwirbelsäule (LWS) bei sons...