Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenbehandlung. Voraussetzungen für Eingriff in gesundes Organ. Mammareduktionsplastik
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung für einen Eingriff in ein gesundes Organ (hier: Mammareduktionsplastik).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 15. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin eine operative Brustverkleinerung beidseits als Sachleistung zu gewähren hat.
Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist 1,68 m groß, wog im Jahr 2010 67 kg und hat BH-Größe 85D. Im Juni 2010 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Mammareduktions- und Liftingplastik beidseits und legte einen Arztbrief des …-Zentralklinikums S. GmbH (S. B. S./M.) vom 9. Juni 2010 vor, wonach sie an Makromastie mit erheblichen statischen Beschwerden, chronischem Wirbelsäulensyndrom und ausgeprägter zystischer Mastopathie beidseits leidet. Sie habe seit vielen Jahren erhebliche HWS- und BWS-Beschwerden, Nackenschmerzen sowie eine chronische Fehlhaltung. Analgetika, Chirotherapie und physiotherapeutische Behandlungen sowie eigene sportliche Aktivitäten hätten zu keiner nennenswerten Besserung der Symptome geführt. Hinzu komme ein sehr echodichtes zystisches Drüsengewebe, welches in der Mammadiagnostik immer wieder Probleme bei der Beurteilbarkeit verursacht habe, sodass sie zusätzlich noch eine erhebliche Karzinophobie und Angst entwickelt habe. Nach dem Arztbrief des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 19. Mai 2010 könne die Mammareduktionsplastik eine weitere Progredienz der Beschwerden verhindern und hierdurch eine Gefährdung der Leistungsfähigkeit und der Erwerbsfähigkeit vermeiden. Aus orthopädischer Sicht werde die geplante Mammareduktionsplastik befürwortet.
Die Beklagte beauftragte den ... (MDK) mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser verneinte im Gutachten vom 6. August 2010 (Dr. H.) die medizinische Notwendigkeit der beantragten Maßnahme. Die Klägerin leide an chronisch-rezidivierendem Zervikalsyndrom, rezidivierenden Kopfschmerzen und zystischer Mastopathie beidseits. Es bestünden seit zwei Jahren verstärkt Kopfschmerzen, teilweise migräneartig mit Übelkeit, die an Häufigkeit und Frequenz deutlich zugenommen hätten und zu einer erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit führten. Von Seiten des orthopädischen Fachgebiets bestehe nach vorliegenden Befunden eine Fehlstatik der HWS mit leichter Osteochondrose, Retrospondylose und leichter Seitverbiegung sowie rezidivierende Blockierungen im Bereich der BWS. Darüber hinaus liege eine zystische Mastopathie mit engmaschiger bildgebender und gynäkologischer Kontrolle vor. In Bezug auf die Form und Größe der Brust bestehe kein auffälliger, erheblich von der Norm abweichender Befund. Die Brustgröße sei dem Körperbau und dem Körpergewicht der Klägerin angepasst, sodass keine medizinische Indikation für eine Mammareduktionsplastik vorliege. Aufgrund der festgestellten Brustlast sei nicht davon auszugehen, dass das Brustgewicht die Beschwerden ursächlich bedinge. Es werde dringend eine weitere Diagnostik der zunehmenden Kopfschmerzen, auch unter Einbeziehung einer neurologischen Diagnostik empfohlen sowie eine Optimierung der Schmerztherapie, ggf. unter Einbeziehung eines Schmerztherapeuten. Außerdem seien muskelkräftigende Übungen im Bereich der Wirbelsäule durch Heilmittelverordnungen angezeigt, ergänzend könne Reha-Sport empfohlen werden. Die Beklagte lehnte den Antrag daraufhin mit Bescheid vom 11. August 2010 ab.
Den mit Schreiben vom 5. September 2010 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie ihre Brustgröße und -form in keiner Weise mehr normal empfinde. Auch die Brustlast stelle ein großes Problem dar. Hinzu komme, dass sie ein sehr schlechtes Drüsengewebe habe und in den letzten Jahren zunehmend Zysten und Knoten aufgetreten seien; alle Befunde seien bis jetzt jedoch für sie positiv gewesen. Das alles sei eine große psychische Belastung für sie. Es bestehe kein Zweifel daran, dass ihr jetziger Gesundheitszustand zum größten Teil in Zusammenhang mit ihrer Brust stehe.
Die Beklagte hat wiederum den MDK mit einer Begutachtung beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28. September 2010 (Dr. B.) ausgeführt, nach nochmaliger sorgfältiger Prüfung der vorliegenden Unterlagen könne die medizinische Notwendigkeit der beantragten Maßnahme nicht begründet werden. Es bestehe kein regelwidriger körperlicher Zustand. Große Brüste seien keine behandlungsbedürftige Krankheit. Sie bedingten bei der Versicherten weder eine Funktionseinschränkung noch wirkten sie entstellend. Die psychischen Beschwerden rechtfertigten es nicht, die Kosten einer operativen Brustverkleinerung zu...