Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Deutschland. Zwangsmitgliedschaft. Monopolstellung. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität. Beitragspflicht gem §§ 152ff SGB 7. Lastenausgleich unter den Berufsgenossenschaften. Verfassungsmäßigkeit der Insolvenzgeldumlage
Orientierungssatz
1. Die Pflichtmitgliedschaft der in Deutschland ansässigen Unternehmen in der gesetzlichen Unfallversicherung verstößt weder gegen Europarecht (Dienstleistungsfreiheit und Wettbewerbsrecht) noch gegen die Grundrechte aus Art 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 14 Abs 1 GG.
2. Zur Verfassungsmäßigkeit der Insolvenzgeldumlage.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beitrags- und Umlagebescheid der Beklagten für das Kalenderjahr 2002 rechtmäßig, insbesondere mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar ist.
Die Klägerin betreibt in C ein Theater und ist Mitglied der Beklagten. Ab dem 01. Januar 2001 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Juni 2001 zur Gefahrtarifstelle 38 (Unternehmensart: Theater), und zwar gestaffelt nach den Gefahrklassen 1,62 für das Kalenderjahr 2001 und 1,82 für das Kalenderjahr 2002. Mit Bescheid vom 23. April 2003 setzte sie den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Beitragsjahr 2002 auf 5.001,89 EUR und den Anteil an der Insolvenzgeldumlage auf 2.944,07 EUR fest. Die Berechnung der Insolvenzgeldumlage erläuterte sie in der Anlage des Bescheids.
Dagegen erhob die Klägerin am 09. Mai 2003 Widerspruch, weil sich die Gefahrklasse erhöht und die Insolvenzgeldumlage innerhalb eines Jahres verdoppelt habe. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob das Versicherungsmonopol der gesetzlichen Unfallversicherungsträger mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft vereinbar sei. Die Verdoppelung der Insolvenzgeldumlage verstoße gegen die Eigentumsgarantie in Art. 14 des Grundgesetzes (GG). Offenkundig seien die Insolvenzrisiken in der Vergangenheit fehlerhaft eingeschätzt worden. Dies habe zur Folge, dass zahlungskräftige Unternehmen die Insolvenzrisiken zahlungsunfähiger Konkurrenzunternehmen tragen müssten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Berufsgenossenschaften (BGen) seien keine Unternehmen im Sinne des Europäischen Wettbewerbsrechts. Dies habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits für das italienische Unfallversicherungssystem entschieden, das mit der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland vergleichbar sei. Die Insolvenzgeldumlage verstoße nicht gegen Art. 14 GG, weil sie die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung im Interesse aller erhalte und verbessere. Soweit die Klägerin die Erhöhung der Gefahrklasse angreife, sei der Widerspruch unzulässig, weil der Veranlagungsbescheid bestandskräftig geworden sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 31. Dezember 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und vorgetragen, die Monopolstellung der Beklagten verstoße gegen die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des EG-Vertrags. Die Beklagte sei als Unternehmerin auf dem Markt für Versicherungsleistungen wirtschaftlich tätig. Denn sie biete ihren Mitgliedern an, sich bei ihr freiwillig zu versichern. Zudem sei die Beitragsbemessung risikoabhängig und orientiere sich weitgehend an den Kriterien der privaten Versicherungswirtschaft; ein sozialer Ausgleich finde kaum statt. Überdies bestehe keine Gewährträgerhaftung des Staates; Aufsichtsbehörde sei das Bundesversicherungsamt und kein Ministerium. Folglich könne der Gesetzgeber die Arbeitgeber auch verpflichten, ihre Mitarbeiter bei Privatunternehmen zu versichern. Dies belege die Unternehmereigenschaft der Beklagten, die als Monopolunternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgrund der Versicherungspflicht marktbeherrschend sei, was sich mit der europarechtlichen Wettbewerbs- und Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbaren lasse. Die Insolvenzgeldumlage greife verfassungswidrig in den Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) ein. Die Umlage steige mit der Zahl der Insolvenzen, womit ein Teufelkreis beginne, der auch gesunde Unternehmen finanziell gefährde. Es widerspreche dem Versicherungsprinzip, dass gerade die insolventen Unternehmen, die für die Erhöhung der Umlage verantwortlich seien, hierzu aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit nicht mehr herangezogen würden. Die Insolvenzgeldumlage sei daher kein Versicherungsbeitrag, sondern eine besondere sozialrechtliche Abgabe, die den hohen Rechtfertigungsansprüchen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht genüge. Zudem sei der Beitragsbescheid völlig intransparent und mangels ausreichender Begründung rechtswidrig.
Mit Urteil vom 25. Februar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen: Di...