Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Betreuer im Rahmen der Jugendhilfe
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Erhält ein im Rahmen der Jugendhilfe eingesetzter Betreuer von Kindern und Jugendlichen für seine Tätigkeit einen fest vereinbarten Tagessatz, ist er in die Arbeitsorganisation seines Auftraggebers eingebunden, ist er diesem gegenüber zur Dokumentation verpflichtet, bedarf es zu seiner Vertretung der Zustimmung des Auftraggebers und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.3.2012 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt in beiden Rechtszügen die Klägerin, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.200,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) darüber, ob die Beigeladene zu 1) in der Tätigkeit als Einzelfallbetreuerin für die Klägerin in der Zeit vom 2.4.2009 bis zum 31.3.2011 sowie vom 14.8.2011 bis zum 8.2.2013 der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine seit 1990 in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betriebene Einrichtung der Jugendhilfe, die Hilfen zur Erziehung gemäß den §§ 27 ff. Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) anbietet. Gesellschafter der GbR sind Frau F G und Herr W I. Die Klägerin unterhält zwei Geschäftsstellen, eine in P und eine in L. Letztgenannte wird durch die Zeugin B in der Funktion der dortigen Erziehungsleitung und Qualitätsbeauftragten koordiniert.
Mit Erklärung vom 1.4.2009 trat die Klägerin dem Rahmenvertrag I für die Übernahme von Leistungsentgelten in der Jugendhilfe nach §§ 78a bis f SGB VIII vom 1.6.2003 (Rahmenvertrag) bei. Dieser Rahmenvertrag, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, regelte bis zu seiner Kündigung zum 31.12.2012 unter anderem wörtlich Folgendes:
"[ ...] § 3 Gegenstand des Rahmenvertrages, Anwendungsbereich
(1) Dieser Rahmenvertrag regelt die Grundsätze und Inhalt für die Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen nach § 78b SGB VIII. [ ...].
(3) Er gilt für die in § 78a SGB VIII Abs. 1 Nr. 4b, 4c - soweit es sich um eine betriebserlaubnispflichtige Maßnahme handelt - und Nr. 5b genannte Leistungen. Es sind dies Hilfen zur Erziehung in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII, in intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung nach § 35 SGB VIII sofern sie außerhalb der eigenen Familie erfolgt und Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in Einrichtungen über Tag und Nacht, sowie sonstige Wohnformen nach § 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB VIII. [ ...].
§ 4 Beitritt, Widerruf
(1) Die Rahmenvereinbarung gilt für Einrichtungsträger im Anwendungsbereich des § 78a SGB VIII. Die Regelungen dieses Rahmenvertrages werden für alle Einrichtungsträger einschließlich öffentlicher Träger der Jugendhilfe durch Eintritt verbindlich.
(2) Der Beitritt zum Rahmenvertrag I ist gegenüber der Landeskommission schriftlich zu erklären. [ ...].
§ 6 Voraussetzungen für die Übernahme des Leistungsentgeltes, Vereinbarungsverfahren
(1) Die Übernahme des Leistungsentgeltes durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe setzt den Abschluss von Vereinbarungen voraus über:
- Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungsangebote (Leistungsvereinbarung),
- Differenzierte Entgelte für die Leistungsangebote und die betriebsnotwendigen Investitionen (Entgeltvereinbarung) und &61485; Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote sowie über geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung (Qualitätsentwicklungsvereinbarung). [ ...].
(3) Zur Einleitung des Vereinbarungsverfahrens reicht der Einrichtungsträger beim zuständigen örtlichen Träger folgende Unterlagen ein:
- die einrichtungsspezifische Leistungsbeschreibung auf der Grundlage dieses Rahmenvertrages und seiner Anlagen mit dem Ziel des Abschlusses einer Leistungsvereinbarung gem. § 7
- die einrichtungsspezifische Beschreibung seiner Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität seiner Leistungen auf der Grundlage dieses Rahmenvertrages und seiner Anlagen mit dem Ziel des Abschlusses ...