Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Opferentschädigung
Orientierungssatz
1. Nach § 10a OEG i. V. m. § 1 Abs. 1 OEG setzt ein Anspruch auf Versorgung voraus, dass der Antragsteller durch einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat und allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt ist. Schwerbeschädigung liegt vor, wenn ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 festgestellt ist.
2. Dass der Antragsteller mit einem GdB von 50 schwerbehindert ist, reicht für eine Zuerkennung von Leistungen nach dem OEG nicht aus. Erforderlich ist insoweit, dass allein die Folgen des vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs mit einem Grad der Schädigung von 50 zu bewerten sind.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.10.2015 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am 00.00.1946 geborene Kläger begehrt Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X).
Zur Begründung seines Antrags vom 21.10.2005 hatte der Kläger vorgetragen, er habe über Jahre in verschiedenen Heimen körperliche und sexuelle Gewalt erlitten. Im Einzelnen gab er an: In der Zeit vom 29.04.1959 bis zum 31.12.1960 in M habe ihn ein gewisser Bruder I o.ä. während der Aufsicht oder bei sonstiger Gelegenheit mit dem Schlüssel auf den Kopf geschlagen, so dass er immer Beulen gehabt und teilweise sogar geblutet habe. Wenn er zum Beispiel nicht habe essen wollen, habe er Ohrfeigen erhalten und ein Lehrer habe sein Ohr so kräftig gedreht, dass es zum Teil eingerissen sei. Wenn er die Tonleiter nicht beherrscht habe, habe ein Musiklehrer mit dem Rohrstock auf seine Hände geschlagen, so dass diese tagelang dick und geschwollen gewesen seien. Von älteren Zöglingen und vom Sohn des Heimleiters sei er sexuell missbraucht worden. In der Zeit vom 07.04. bis 04.08.1961 sei er im Landeserziehungsheim C von den älteren Zöglingen missbraucht worden. Außerdem seien Misshandlungen und Züchtigungen an der Tagesordnung gewesen. In der Zeit vom 04.08.1961 bis 23.07.1963 auf dem C habe es häufig sexuelle Übergriffe von Mitzöglingen gegeben sowie Prügel durch die Erzieher. In der Zeit vom 24.07.1963 bis zum 30.09.1964 in F sei einer der Schwachsinnigen bei einem Wutanfall immer mit Spaten und Mistgabel auf ihn losgegangen. Wenn er sich beschwert habe, habe er noch Prügel durch das Pflegepersonal bekommen. Er leide heute noch an Depressionen, Aggressivität sowie Alpträumen und vermeide große Menschenmengen.
Den Grad der Behinderung (GdB) hatte das Amt für soziale Angelegenheiten U mit Bescheid vom 06.08.2002 mit 30 festgestellt, und zwar für folgende Beeinträchtigungen:
"Wirbelsäulenleiden, Skoliose, degenerative Veränderungen mit Bandscheibenvorfall L5/S1" (GdB 30) sowie "Funktionsminderung der Hüft- und Kniegelenke bei Arthrose" (GdB 10). Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Beeinträchtigung "Kleinhirnläsion mit neurologischen Defiziten der rechten Körperhälfte" (GdB 30) wurde der GdB mit Bescheid vom 17.07.2003 auf 40 erhöht. Im anschließenden Rechtsstreit S 5 SB 374/03 Sozialgericht Trier legte der Kläger eine Bescheinigung des Neurologen und Psychiaters S (13.04.2004) vor. Herr S führt u.a. aus, es handele sich um progrediente Hirnleistungsstörungen mit Einschränkung der Konzentration und insbesondere des Kurzzeitgedächtnisses bei wohl vaskulären ischämischen Hirnläsionen mit unklarem raumfordernden Prozess im Bereich des rechten Kleinhirns. Psychopathologisch beständen eine leichte depressive Stimmungslage, Verlangsamung und erschwerte Umstellfähigkeit sowie Einschränkungen der Konzentration und Merkfähigkeit und nicht unerhebliche Einschränkungen der Ausdauer und Belastbarkeit. Der Beklagte übersandte hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 06.07.2004. In dieser heißt es, die neurologische Einschränkung sei als Hirnschaden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung mit einem GdB von 30-40 zu bewerten und die psychopathologischen Einschränkungen als leichtere psychovegetative Störung mit einem GdB von 20. Für die Beeinträchtigung "Kleinhirnläsion mit neurologischen Defiziten der linken oberen Extremität und der rechten Körperhälfte, Sehstörungen, psychische Minderbelastbarkeit" ergebe sich danach ein GdB von 40. In Ausführung eines im Rahmen eines Rechtsstreites beim Sozialgericht Trier angenommenen Teilanerkenntnisses erging der Ausführungsbescheid vom 20.09.2004, mit dem der GdB ab 19.05.2003 mit 50 festgestellt wurde. Aufgrund des Änderungsantrages vom 30.03.2005 zog das Amt für soziale Angelegenheiten U das Rentengutachten von Dr. L vom 14.02.2005 von der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz bei. In dem Gutachten wird die Stimmungslage als niedergeschlagen beschrieben mit deutlich...