Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweichung vom Kopfteilprinzip bei Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft für die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Leistungen der Grundsicherung für Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind grundsätzlich nach dem Kopfteilprinzip zu berechnen. Ist der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen einer bestandskräftigen Sanktion weggefallen, so würde die Anwendung des Kopfteilprinzips zu Mietschulden für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen (BSG Urteil vom 2. 12. 2014, B 14 AS SO/13 R). Dies hat die Bewilligung anteilig höherer Leistungen an Kosten der Unterkunft für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zur Folge, wenn das sanktionierte Mitglied über keine Mittel verfügt, um seinen Kopfteil zu bezahlen.

2. Diese Regelung gilt, wenn die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft keine rechtlichen oder sonstigen effektiven Möglichkeiten haben, das sanktionierte Mitglied an dem zur Sanktion führenden Verhalten zu hindern. Würde keine Abweichung von dem Kopfteilprinzip angenommen, so wären diese schuldlos der Reflexwirkung der Sanktion auf das bestehende Mietverhältnis ausgesetzt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.08.2017; Aktenzeichen B 4 AS 149/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 24.02.2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Kläger auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich - nach Abtrennung des Zeitraums vom 01.09.2013 bis 30.06.2014 - mit seiner Berufung gegen die Verpflichtung, weitere Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) im Zeitraum vom 01.07. bis 30.09.2014 zu zahlen.

Die am 00.00.1993 geborene Klägerin zu 1) bewohnte in der Streitzeit zusammen mit ihrem Lebenspartner, Herrn N, geboren am 00.00.1987, und dem am 28.01.2013 geborenen gemeinsamen Sohn K, dem Kläger zu 2), eine Wohnung unter der Anschrift G-weg 00 in X. Die Miete betrug monatlich 479,23 EUR (Nettokaltmiete 349,23 EUR, Nebenkostenabschlag 60,00 EUR, Heizkostenabschlag 70,00 EUR).

Für den Kläger zu 2) wurde monatlich Kindergeld i.H.v. 184,00 EUR gezahlt. Im Übrigen waren die Kläger und Herr N einkommens- und vermögenslos.

Die Kläger und Herr N bezogen in der Vergangenheit als Bedarfsgemeinschaft von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Schließlich wurde Herr N für die Zeit vom 01.07. bis 30.9.2014 mit bestandskräftigem Bescheid vom 11.06.2014 i.H.v. 100 % sanktioniert.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger und des Herrn N bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 15.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2014 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Bedarfsgemeinschaft für den Bewilligungsabschnitt vom 01.07.bis 31.12.2014. Dabei setzte der Beklagte für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2014 die Sanktionierung aus dem Bescheid vom 11.06.2014 gegenüber Herrn N um. Er erhielt in dieser Zeit keine Leistungen. Den Klägern wurde weiterhin jeweils (nur) ein Drittel der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung der Bedarfsgemeinschaft bewilligt. Eine Übertragung des nach dem "Kopfteilprinzip" auf Herrn N entfallenden Drittels der KdU i.H.v. 159,74 EUR monatlich auf die Kläger komme nicht in Betracht. Eine Abweichung vom Regelfall des sogenannten "Kopfteilprinzips" bei der Verteilung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf den Bedarf der Mitglieder einer Haushalts- bzw. Bedarfsgemeinschaft bei Sanktionierung eines der Mitglieder sei deshalb hier nicht angezeigt, weil die Klägerin zu 1) und Herr N als Partner eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft sui generis bildeten. Dies beziehe sich anders als gegenüber einem volljährigen Kind auch auf wirtschaftliche und finanzielle Aspekte. Die Klägerin zu 1) habe sich daher das Verhalten ihres Partners zurechnen zu lassen.

Die einen Gesamtzeitraum vom 01.09.2013 bis 30.09.2014 betreffende, am 13.10.2014 erhobene Klage hatte auch bezogen auf den hier noch streitigen Zeitraum vom 01.07. bis 30.09.2014 Erfolg. Mit Urteil vom 24.02.2015 hat das Sozialgericht dem Beklagten aufgegeben, den Klägern für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2014 monatlich jeweils 79,87 EUR zur Deckung von Unterkunftsaufwendungen nachzuentrichten. Die Kläger gehörten ohne Zweifel zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II und hätten dem Grunde nach Anspruch auf die Übernahme der KdU. Bei deren Berechnung sei zwar grundsätzlich auf den Kopfteil abzustellen. Allerdings müsse vorliegend eine Ausnahme vom Kopfteilprinzip gemacht werden, da der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft, hier des Herrn N, wegen einer bestandskräftigen Sanktion weggefallen sei und die Anwendung des Kopfteilprinzips zu Mietschulden für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen würde. Das Gericht schlösse sich insofern der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) i...

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