Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der altersbedingten Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung

 

Orientierungssatz

1. Die Zulassung als Vertragsarzt endet nach dem Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollendet, wenn dieser mindestens 20 Jahre als Vertragsarzt tätig gewesen ist. Mit der am 1. 1. 2007 in Kraft getretenen Änderung des § 95 Abs. 7 SGB 5 wurde die Altersgrenze für das Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit von 68 Jahren nur für unterversorgte Planungsbereiche aufgehoben. Die Altersgrenze für überversorgte Planungsbereiche wurde dagegen ausdrücklich bestätigt.

2. Die Regelung über die Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung mit 68 Jahren verletzt weder Verfassungsrecht noch das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung noch die Bestimmungen des AGG.

3. Ein Antrag auf Zulassung ist durch den Zulassungsausschuss abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Ist infolgedessen dem Zulassungsausschuss ein rechtswidriges Verhalten nicht vorzuhalten, so ist ein öffentlich-rechtlicher Schadensersatz-, Folgenbeseitigungs- oder sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des antragstellenden Arztes ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 06.06.2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz für die - seiner Meinung nach rechtswidrigen - altersbedingten Beendigung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Jahr 1998 sowie Ablehnung seiner erneuten Zulassung im Jahr 2006.

Der am 00.00.1929 geborene Kläger war in der Zeit vom 03.01.1968 bis einschließlich 31.12.1998 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und in C niedergelassen. Nach Vollendung seines 68. Lebensjahres stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln durch Beschluss vom 09.12.1998 fest, dass die Zulassung des Klägers nach der gesetzlichen Vorgabe des § 95 Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) am 01.01.1999 ende. Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe und Rechtsmittel hatten keinen Erfolg (Beschluss des Berufungsausschusses vom 10.02.1999, Urteil des Sozialgerichts (SG) Köln vom 12.01.2000 - S 19 KA 18/99 -, Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 18.10.2000 - L 11 KA 74/00 - sowie Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.06.2001 - B 6 KA 3/01 B -).

Mit Schreiben vom 28.08.2006 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien (Gleichbehandlungsgesetz - AGG -) vom 14.08.2006 die Aufhebung des Zulassungsentzugs bzw. die Neuerteilung der Zulassung als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung in C. § 95 Abs. 7 SGB V sei nach §§ 1 ff. AGG ab 18.08. 2006 hinsichtlich der Altersgrenze für Vertragsärzte nicht mehr anwendbar. Seinerzeit sei nicht berücksichtigt worden, dass während der Umsetzungsfrist der Europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinie die europarechtliche Vorwirkung verbiete, diskriminierende Maßnahmen mit Statuswirkung wie Zulassungsbeendigungen zu vollziehen, weil sie spätestens nach Ablauf der Umsetzungsfrist wieder aufgehoben werden müssten.

In seiner Sitzung vom 25.10.2006 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte L sowohl den Antrag des Klägers auf Aufhebung des feststellenden Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 09.12.1998 über das Ende der Zulassung am 01.01.1999 als auch den Antrag auf Zulassung zur Kassenpraxis des Klägers als Facharzt für Allgemeinmedizin ab (Bescheid vom 21.11.2006).

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die angefochtene Entscheidung ignoriere verbindliches Europarecht der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 und europarechtlich-nationales Umsetzungsrecht in Form des Gesetzes vom 14.08.2006. Auch habe sich der Zulassungsausschuss nicht mit dem Problem befasst, dass nach dem Grundgesetz (GG) dem Bund eine Kompetenz zur Bestimmung einer Altersgrenze für Vertragsärzte nicht zukomme. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit sei der Zulassungsausschuss vielmehr gehalten gewesen, ein weniger eingreifendes Mittel als die völlige Ablehnung der Neuzulassung zu wählen. Nach der gegebenen Rechtslage sei es nämlich auch möglich gewesen, die Neuzulassung im Hinblick auf die für den Zulassungsausschuss unsichere Rechtslage mit einem allgemeinen Widerrufsvorbehalt zu erteilen. Nach § 22 AGG treffe den Zulassungsausschuss die volle gesetzliche Beweislast für das Nichtvorliegen einer Altersdiskriminierung. Diesen Beweis habe der Ausschuss nicht antreten können. Wegen der Altersdiskriminierung stehe ihm im Übrigen ein angemessenes Schmerzensgeld zu, welches er mit 150.000,00 EUR beziffere.

Die Beigeladene zu 5) hat im Widerspruchsverfahren vorgetragen, die Vorschriften über die Beendigung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ...

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