Entscheidungsstichwort (Thema)
Preismoratorium für Arzneimittel ist verfassungsgemäß
Orientierungssatz
Art 30 Abs 1 GSG verletzt nicht die Grundrechte aus Art 12 Abs 1, Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtswidrigkeit des Arzneimittelpreisabschlags und -preismoratoriums zu Lasten von Spalt-N-Tabletten (Artikel 30 GSG, Gesetz vom 21.12.1992, BGBl. I S. 2266).
Die Klägerin bestreitet nach ihren Angaben 40 % ihres Gesamtumsatzes damit, die Tabletten "Spalt-N" in Verkehr zu bringen. Es handelt sich um apotheken-, nicht aber verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel, die nicht auf der Grundlage von § 34 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV vom 21.02.1990 (BGBl. I S. 301, geändert durch Artikel 8 § 21 und Artikel 11 GNG vom 24.06.1994, BGBl. I S. 1416) von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen sind.
Die Klägerin beantragte am 21.06.1993, Spalt-N-Tabletten vom Preisabschlag und -moratorium gemäß Artikel 30 GSG auszunehmen, da den Verlusten der Klägerin kein Vorteil für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) gegenüberstehe. Im Hinblick auf Nr. 20 (a.F.) Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen werde das Medikament nicht zu Lasten der GKV verordnet. Dies zeigten auch die IMS-Statistiken. Zudem sei das Arzneimittel in der Übersicht über die nach § 34 Abs. 1 SGB V ausgeschlossenen Arzneimittel enthalten. Das Preismoratorium greife unzumutbar, systemwidrig und willkürlich in die Grundrechte der Klägerin ein. Nach Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie des Rates vom 21.12.1988 (89/105/EWG; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 40, S. 8, vom 11.02.1989; im Folgenden: "Richtlinie") bestehe Anspruch auf Befreiung.
Dies lehnte die Beklagte ab, da die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Preisabschlag in Höhe von 2 % erfüllt seien, die Regelung auf sachlichen Gründen beruhe und außergewöhnliche Umstände nicht zu erkennen seien (Schreiben vom 20.08.1993).
Deshalb hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Köln erhoben. Der Rechtsstreit ist an das Sozialgericht (SG) Düsseldorf verwiesen worden (den Beschluß des VG Köln vom 02.09.1994 abändernder Beschluß des OVG NW vom 28.11.1994).
Zur Begründung der zunächst als Verpflichtungsklage bezeichneten, 1995 auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Preismoratoriums in den Jahren 1993 und 1994 für Spalt-N-Tabletten umgestellten Klage hat die Klägerin vorgetragen, durch das Ende des Preismoratoriums mit Ablauf des Jahres 1994 habe sich das mangels fristgerechter Umsetzung von Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie zulässige Verpflichtungsbegehren erledigt. Da eine Amtshaftungsklage beabsichtigt sei, sei die Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Sie sei begründet, da das Preismoratorium der Klägerin einen Schaden in Höhe von 6.670.928,- DM verursacht habe. Dem habe keine Ersparnis der GKV gegenübergestanden. Eine Verordnung von Spalt-N-Tabletten zu Lasten der GKV habe im Hinblick auf Nr. 20 (a.F.) der Arzneimittelrichtlinien und § 34 Abs. 1 SGB V nicht stattgefunden. Auf die Arzneiverordnungsreporte für die Jahre 1989 und 1993, die IMS-Statistiken für die Quartale 4/92 bis 3/93 und das IMS-Gutachten vom 22.02.1994 werde verwiesen.
Die ausnahmslose Anwendung von Artikel 30 Abs. 1 GSG auf nicht zu Lasten der GKV verordnete Arzneimittel sei willkürlich und unverhältnismäßig gewesen (Verstoß gegen Artikel 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 GG). Nach Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie habe entsprechend dem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Sch eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden müssen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Preismoratorium für Spalt-N 10er und 20er-Packung rechtswidrig war.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Verordnungseinschränkungen nach § 34 Abs. 1 SGB V aufgrund von Nr. 20 (a.F.) der Arzneimittelrichtlinien gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V beinhalteten kein umfassendes Verordnungsverbot zu Lasten der GKV. So sei z.B. bekannt, daß Hustenmittel, die nach § 34 Abs. 1 SGB V nur eingeschränkt verordnungsfähig seien, die am zweithäufigsten verordneten Arzneimittel in der GKV seien. Gründe, die der Gesetzgeber für die Regelung des Artikel 30 GSG nicht im Blick gehabt habe, habe die Klägerin für eine Ausnahmegenehmigung nicht vorgetragen. Der Gesetzgeber habe erwogen, Arzneimittel nur bei Abgabe zu Lasten der GKV einem Preismoratorium und -abschlag zu unterwerfen. Dies sei im Hinblick auf die unzureichende Datenlage, den unzumutbaren Erfassungs- und Kontrollaufwand, die drohenden Marktverzerrungen, die gezielt geschaffene Unübersichtlichkeit des Marktes und den drohenden Verlust der Akzeptanz für das gesamte Reformpaket nicht in Betracht gekommen. Deshalb habe der Gesetzgeber die angegriffene, klar strukturierte und praktikable Regelung im Rahmen zulässiger Typisierung geschaffen. Das Gericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.03.1996).
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, die Beklagte sei verpf...