rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 20.06.1996; Aktenzeichen S 13 (10) U 67/95) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.06.1996 aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Tatbestand
Streitig ist die Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO.
Der 1946 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit war von 1961 bis 1966 nach seinen Angaben ohne Arbeit, leistete vom 23.09.1966 bis 23.09.1968 Wehrdienst, war anschließend bis zum 28.08.1969 arbeitslos, vom 14.10.1969 bis zum 28.06.1971 Maurer in Frankreich, vom 13.07. bis 15.10.1971 Kühlschrankmonteur, Prüfer und Maschinenarbeiter, vom 18.10.1971 bis 03.11.1972 Hilfsarbeiter und Schlosser, vom 13.11.1972 bis zum 06.10.1973 Autogenschweißer, vom 11.10.1973 bis zum 30.11.1974 Maschinenarbeiter (Schleifen an der Schleifmaschine) und vom 03.06.1975 bis zum 30.09.1993 Arbeiter bei der O. AG in Bochum. Er war vom 12.12.1989 bis zum 16.01.1990 wegen Lumbalsyndrom, vom 09.02. bis 30.03.1993 wegen LWS-Syndrom, Ischialgie und Verdacht auf Bandscheibenschaden sowie ab 30.12.1993 wegen LWS-Syndrom arbeitsunfähig. Zur Begründung seines Antrags auf Entschädigung seines Wirbelsäulenleidens als BK Nr. 2108 (2/94) gab der Kläger an, allein während seiner Zeit bei der O. AG schädigenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen zu sein. Er habe ca. 50 kg schwere Kisten auf Wagen aufgeladen und den Inhalt an die Arbeiter verteilt, danach die Arbeiter während ihrer Pausen am Band abgelöst. Die ca. 50 kg schweren Kisten seien mit Schrauben, Stangen, Kabeln und Getriebeteilen gefüllt und auf Wagen gestapelt gewesen, bevor der Inhalt an die Arbeiter verteilt worden sei. Ab 30.03.1993 habe er wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten unter lassen. Auf der Grundlage der BK-Anzeige von Dr. (Univ. R. ) D. , der Angaben der O. AG, der Untersuchung und Beurteilung des Technischen Aufsichtsdienstes sowie der Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien (Bescheid vom 07.11.1994; zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 17.02.1995).
Zur Begründung seiner Klage zum SG Gelsenkirchen hat der Kläger vorgetragen, die Materialkisten hätten nicht nur durchschnittlich 15 bis 30 kg, sondern 40 bis 50 kg gewogen und er habe die Materialkisten in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten häufiger als nur ca. zehnmal pro Schicht getragen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.1995 zu verurteilen, die Berufskrankheit Nr. 2108 anzuerkennen und Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Zeugen Y. und U. uneidlich vernommen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.06.1996), da nicht erwiesen sei, daß eine langjährige, d.h. zehnjährige Hebe-, Trage- oder Rumpfbeugebelastung vorgelegen habe, die schwer gewesen sei, was bei Männern im Alter zwischen 10 und 39 Jahren das Tragen von Gewichten von mindestens 25 kg und bei einem Alter von 40 Jahren Gewichten von mindestens 20 kg bedeute oder Arbeiten im Rumpfbeugewinkel von mehr als 90 Grad und was zusätzlich erfordere, daß es sich um eine überdurchschnittliche Belastung gehandelt habe im Sinne eines mindestens dreißigprozentigen Anteils pro Schicht in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, er habe die 40 bis 50 kg schweren Materialkisten immer wieder heben müssen, entsprechend einer vierstündigen Belastung durch Heben und Tragen.
Die Prozeßbevollmächtigte des Klägers beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Sozialgericht zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.06.1969 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 07.11.1994 und 17.02.1995 zu verurteilen, dem Kläger wegen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist im Sinne der Zurückverweisung (§ 159 SGG) begründet. Das Interesse am Erhalt einer Instanz überwiegt das Interesse an der Prozeßökonomie. Das Verfahren vor dem SG leidet an einem wesentlichen Mangel, da es die Amtsermittlungspflicht verletzt hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 und § 103 SGG). Das SG hat zur Konkretisierung der Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO den medizinischen Erfahrungssatz zugrundegelegt, das langjährige Heben oder Tragen schwerer Lasten setze ein mehr als zehnjähriges Heben oder Tragen von Gewichten ab 25 kg bei Männern ...