Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweis des ersten Anscheins bei abgeschlossenem Beitragserstattungsverfahren

 

Orientierungssatz

1. Waren eine Rentenanwartschaft begründende Beitragszeiten vorhanden, so können daraus Rechte nicht mehr hergeleitet werden, wenn die gezahlten Beiträge erstattet worden sind. Damit ist die Anwartschaft erloschen. Eine Erstattung kann nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden. Durch die Erstattung wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Versicherten nur die Hälfte der gezahlten Beiträge erstattet wird.

2. Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren lässt nach der Beweisregel des ersten Anscheins typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen ist. Besteht kein konkreter Anlass zu Zweifeln, dass der verfolgte Zweck erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung beendetes Verfahren geschlossen werden, vgl. BSG, Urteil vom 21. November 1958 - 5 RKn 33/57.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dortmund vom 12.06.2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Regelaltersrente.

Der 1941 oder 1942 geborene Kläger (früherer Name: B - B - L ) ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er arbeitete von 1964 bis 1971 sozialversicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland im Bergbau (Juli 1964 - Mai 1967 und Januar bis April 1970) und im Übrigen außerhalb des Bergbaus. 1971 kehrte er nach Marokko zurück, 1972 stellte er über die Deutsche Botschaft in Rabat bei der (damaligen) LVA Oberbayern einen "Antrag auf Beitragserstattung aus der Rentenversicherung der Arbeiter in Deutschland". Bereits mit Schreiben vom 25.10.1972 erkundigte er sich nach dem Verbleib "seines Geldes". Die LVA Oberbayern lehnte den Antrag ab, weil ein Erstattungsanspruch erst bestehe, wenn seit dem Wegfall der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland zwei Jahre verstrichen seien; dieser Zeitpunkt werde frühestens am 24.07.1973 erreicht (Bescheid vom 17.01.1973).

Am 09.06.1973 beantragte der Kläger unmittelbar bei der LVA Oberbayern erneut, ihm die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten. Mit Schreiben vom 20.05.1974 erinnerte er die Beklagte an die Erledigung seines Antrags. Die LVA Oberbayern stellte den unter Mitberücksichtigung aller ihr von der Beklagten mitgeteilten Beitragszeiten zu erstattenden Betrag mit 5.877,40 DM (2.682,73 DM für nichtknappschaftliche und 3.194,66 DM für knappschaftliche Versicherungszeiten) fest und wies den Kläger darauf hin, dass durch die Erstattung alle Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen seien (Bescheid vom 12.06.1974). Der Bescheid konnte zunächst nicht zugestellt werden. Mit Schreiben vom 09.09.1974 erinnerte der Kläger die (damalige) LVA Rheinprovinz (unter Angabe einer neuen Adresse in Nador) an die Erstattung der Beiträge, mit Schreiben vom 21.11.1974 die LVA Oberbayern daran, den Rentenbetrag zu überweisen, den er während seiner Arbeitszeit in der Bundesrepublik Deutschland abgeführt habe. Die LVA Oberbayern teilte ihm am 15.02.1975 an seine neue Adresse mit, dass der Erstattungsbetrag überwiesen werde. Der Erstattungsbescheid wurde dem Kläger über die Deutsche Botschaft in Rabat am 16.04.1975 über die deutsche Botschaft in Rabat zugestellt, der Erstattungsbetrag wurde am 22.04.1975 zur Zahlung angewiesen. Eine Empfangsbestätigung oder eine Quittung befindet sich nicht bei den Akten.

Im Mai 1998 beantragte der Kläger (nun bei der Beklagten) erneut, ihm seine Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten. Die Beklagte leitete den Antrag an die LVA Oberbayern weiter, die dem Kläger mit Schreiben vom 04.06.1998 (zugestellt am 20.07.1998) mitteilte, dass ihm bereits mit Bescheid vom 12.06.1974 die Hälfte aller Beiträge bis einschließlich zum 23.07.1971 erstattet worden seien. Im Mai 2001 beantragte der Kläger bei der LVA Schwaben auf dem dafür vorgesehenen zweisprachigen (deutsch-französisch) Vordruck Altersrente. Die LVA Schwaben lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Beitragserstattung durch die LVA Oberbayern ab (Bescheid vom 31.10.1974 unter Verwendung eines zweisprachigen deutsch-französischen Bescheidvordrucks).

Im November 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm aufgrund seiner Tätigkeit im deutschen Bergbau Rente zu gewähren. Die Beklagte, die ihre Rentenakte betreffend den Kläger vernichtet hatte und nur noch über einen elektronisch gespeicherten (Teil-) Kontenspiegel verfügte, lehnte die Gewährung der begehrten Rente ab (Bescheid vom 13.11.2006). Es seien keine auf die für die Regelaltersrente erforderliche Wartezeit anrechenbaren Zeiten mehr vorhanden, da ausweislich des elektronischen Kontenspiegels die für den Zeitra...

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