Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertungspflicht vorhandenen Vermögens bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung - Wertpapierdepot - Treuhandvereinbarung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 9 Abs. 1 SGB 2 ist nicht hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtenden Einkommen oder Vermögen sichern kann.

2. Übersteigt das Vermögen des Hilfebedürftigen den maßgeblichen Freibetrag, so ist es bei der Bewilligung von Leistungen des SGB 2 nach § 12 SGB 2 zu berücksichtigen.

3. Inhaber eines Wertpapierdepots ist regelmäßig derjenige, der gemäß Vereinbarung mit der Bank Kontoinhaber werden soll.

4. Kann dabei nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht von dem Vorliegen einer Treuhandvereinbarung mit Rechtsbindungswillen ausgegangen werden, so ist es als Vermögen des Hilfebedürftigen zu bewerten.

5. Eine Verwertungspflicht des Wertpapierdepots stellt grundsätzlich keine besondere Härte i. S. des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB 2 dar.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rücknahme und Erstattung von nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zunächst gewährten Grundsicherungsleistungen wegen nicht angegebenen Vermögens für die Zeit vom 02.04. bis 30.09.2013.

Die am 00.00.1970 geborene Klägerin bewohnte zumindest seit 01.01.2013 zusammen mit ihrem Ehemann (geb. 00.00.1969) und den gemeinsamen Kindern L (geb. am 00.00.1997) und C (geb. am 00.00.2010) ein im Eigentum der Klägerin und ihres Ehemannes stehendes Hausgrundstück (Wohnfläche ca. 141 qm, Grundstücksfläche: ca. 211 qm). Für das Objekt fielen monatliche Schuldzinsen i.H.v. 251,47 Euro, ein Heizkostenabschlag von 53,00 Euro und sonstige monatliche Nebenkosten i.H.v. 145,65 Euro, zusammen 450,12 Euro an. Der Ehemann der Klägerin ist verstorben; ausweislich der Sterbeurkunde trat der Todeszeitpunkt in der Zeit zwischen 29.03.2013 und 01.04.2013 ein.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin gab zum 31.12.2012 eine sich nicht rentierende selbständige Tätigkeit auf, die Klägerin befand sich in Elternzeit und hatte kein Einkommen, so dass der Familie ab dem 01.01.2013 zunächst nur Einkommen in Form von Kindergeld i.H.v. 2 x 184,00 Euro zur Verfügung stand. Zum 12.03.2013 nahm der Ehemann der Klägerin eine abhängige Beschäftigung auf, das Einkommen floss im April 2013 zu (949,02 Euro brutto bzw. 598,96 Euro netto). Die Klägerin übernahm auf Bitten ihres Arbeitgebers während der Elternzeit eine befristete Tätigkeit (14.01. bis 31.03.2013). Aus dieser Tätigkeit floss ihr das Einkommen aus März 2013 im April 2013 i.H.v. 968,23 Euro brutto, entspricht 772,90 Euro netto, zu.

Die Klägerin verfügte während der Streitzeit über Vermögen in Form eines Bausparvertrages bei der M mit einem Wert zum 01.04.2013 von 464,62 Euro, zum 01.05.2013 und in den Folgemonaten i.H.v. 498,88 Euro. Ferner unterhielt sie ein Aktiendepot bei der Deutschen Bank. Auf diesem befanden sich S Fondanteile mit einem Wert von 831,98 Euro, ferner 157 Aktien der U AG, deren Wert am 01.04.2013 6.690,24 Euro, am 01.05.2013 6.571,24 Euro, am 01.06.2013 7.727,54 Euro, am 01.07.2013 7.338,49 Euro, am 01.08.2013 8.368,83 Euro und am 01.09.2013 8.146,10 Euro betrug. Es gab in einzelnen Monaten noch Guthaben auf den der Klägerin zuzurechnenden Girokonten (am 01.04.2013 337,58 Euro, am 01.05.2013 1.208,39 Euro, am 01.06.2013 226,25 Euro, am 01.07.2013 1.142,65 Euro, am 01.08.2013 746,69 Euro und am 01.09.2013 917,41 Euro).

Die Tochter L verfügte während der gesamten Streitzeit über einen nicht gekündigten Bausparvertrag bei der M mit einem Wert von 5.293,45 Euro. Die Bausparverträge der Klägerin und ihrer Tochter waren binnen einer Frist von sechs Monaten kündbar, die angesparten Beträge wären dann ausgekehrt worden.

Am 03.01.2013 beantragte der verstorbene Ehemann der Klägerin in Absprache mit dieser für sich und seine Familie Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Er machte in der Anlage VM des Formantrags Angaben zum Vermögen der vorgenannten Bedarfsgemeinschaftsmitglieder. Er beantwortete unter anderem die Frage 2.4: "Besitzen Sie oder eine in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person Sparbriefe/sonstige Wertpapiere (z.B. Aktien, Fond-Anteile u.a. usw.)?" mit "Nein". Ebenfalls mit "Nein" beantwortete er die Frage 2.6: "Besitzen Sie oder eine in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person Bausparverträge?".

Auf Grundlage dieser Angaben und weiterer hereingereichter Belege bewilligte der Beklagte der Klägerin, ihrem verstorbenen Ehemann und den gemeinsamen Kindern mit Bescheid vom 01.02.2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19.03.2013 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Leistungsbewilligung wurde anlässlich der Tätigkeitsaufnahme des verstorbenen Ehemannes mit Bescheid vom 21.03.2013 für die Zeit ab ...

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