Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 11. April 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte eine schwere posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) mit chronischer Schmerzstörung (F 45.4) als Folge des Arbeitsunfalls vom 16. November 2002 anerkennen muss.

Die im September 1970 geborene Klägerin betreibt mit ihrem Ehemann in M eine Pizzeria mit Bringdienst. Am Unfalltag bestellte ein Kunde mehrere Pizzas, die der Fahrer des Bringdienstes auslieferte. Der Kunde weigerte sich, die Lieferung anzunehmen und zu bezahlen. Gegen 23.00 Uhr fuhren die Klägerin und ihr Ehemann mit dem Pkw zur Wohnung des Kunden, um ihn zur Rede zu stellen und ihre Kaufpreisforderung geltend zu machen. Vor der Wohnungstür des Kunden kam es daraufhin zwischen ihm und der Klägerin zu einem Streit, wobei er sich unsachlich und beleidigend äußerte. Als sich die Klägerin gerade abwenden wollte um zu gehen, versetzte ihr der Kunde einen Stoß. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte über drei bis vier Treppenstufen auf die gepflasterte Hofeinfahrt. Die Klägerin blieb dort im strömenden Regen regungslos liegen, wurde - während sich ihr Ehemann um sie kümmerte - weiter beschimpft und musste mit dem Rettungswagen in die Unfallchirurgische Klinik am Klinikum Kreis I gebracht werden.

Dort fand Chefarzt PD Dr. T weder knöcherne Verletzungen noch Platzwunden und diagnostizierte Prellungen am Hinterkopf, dem rechten Handgelenk und der Wirbelsäule. Eine stationäre Behandlung lehnte die Klägerin aufgrund einer "Krankenhausphobie" ab und stellte sich am 19. November 2002 mit Schmerzen, Schwindel und Übelkeit bei dem niedergelassenen Internisten Dr. X in M vor, der ihr Schmerzmittel und Bettruhe verordnete. Am nächsten Tag konsultierte sie den niedergelassenen Chirurgen/ Unfallchirurgen O in M und beklagte "Schmerzen im Bereich des ganzen Körpers". Im Durchgangsarztbericht vom 20. November 2002 beschrieb er eine "wehleidige, heftig klagende Unfallverletzte", die "das Unfallereignis psychisch nicht adäquat verarbeitet" habe und die prellungsbedingten Schmerzen stark übertreibe. Am 27. November 2002 suchte die Klägerin den niedergelassenen Nervenarzt Dr. T1 in M auf und schilderte ihm Flashbacks und Alpträume, in denen sie die Auseinandersetzung mit dem Kunden immer wieder vor sich sehe. Sie leide unter Kopfschmerzen, Schweißausbrüchen und ängstige sich vor allem, was mit der Pizzeria zu tun habe. Dr. T1 diagnostizierte eine posttraumatische Belastungsstörung, ein Angstsyndrom, Schlafstörungen sowie Rücken- und Kopfschmerzen nach Prellungen. Eine Computertomographie (CT) des Schädels (Neurocranium) und eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule (HWS) blieben am 22. Januar 2003 ohne traumatischen Befund.

Im Feststellungsverfahren zog die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des niedergelassenen Neurologen und Psychiaters Dr. L aus D vom 26. Februar 2003 bei: Infolge des Unfalls habe die Klägerin eine akute Belastungsstörung erlitten und sei deshalb höchstens vier Wochen arbeitsunfähig gewesen. Diese akute Belastungsstörung habe sich aber nicht zu einer posttraumatischen Belastungsstörung chronifiziert, weil die dafür erforderlichen diagnostischen Eingangskriterien fehlten.

Mit Bescheid vom 24. März 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe sich bei dem Ereignis am 17. (gemeint: 16.) November 2002 eine akute psychische Belastungsstörung zugezogen. Aufgrund dieser Erkrankung sei sie bis zum 15. Dezember 2002 "unfallbedingt" arbeitsunfähig und behandlungsbedürftig gewesen. Soweit sich die Belastungsstörung danach chronifiziert habe, sei das Ereignis hierfür nicht mehr verantwortlich. Ein Leistungsanspruch über den 15. Dezember 2002 hinaus bestehe deshalb nicht.

Dagegen erhob die Klägerin am 14. April 2003 Widerspruch. Die Beklagte ließ sie daraufhin durch den niedergelassenen Neurologen und Psychiater Dr. S aus C untersuchen. Ihm schilderte die Klägerin Alpträume, in denen sie das Ereignis und die Beleidigungen immer wieder neu erlebe. Sie wache dann nachts mehrfach schweißgebadet auf. Sie befürchte, dass ihr ähnliches nochmals wiederfahren könne und erschrecke oft, wenn jemand plötzlich ins Zimmer trete. Seit dem Ereignis meide sie Aktivitäten außer Haus, könne in der Pizzeria nicht mehr helfen und leide unter Nacken-, Rücken- und Handschmerzen. In seinem Gutachten vom 09. Februar 2004 verneinte Dr. S physische Verletzungsfolgen und eine posttraumatische Belastungsstörung, weil das Ereignis glimpflich verlaufen und weder lebensbedrohlich noch stark erniedrigend gewesen sei. Stattdessen diagnostizierte er eine konversionsneurotisch getönte Depression, die auf einem Entschädigungsbegehren oder einer Selbstüberforderung als Gastronomin, Hausfrau und Mutter beruhe. Insoweit sei das Ereignis nur als Gelegenheitsursache einzuordnen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2004, der dem Klägerbevol...

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