Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Auskunftsverlangen gegenüber einem potenziell unterhaltspflichtigen Kind. Nichterforderlichkeit des tatsächliches Bestehen eines zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs. Ausschluss bei Leistungsberechtigten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. kein offensichtliches Bestehen einer solchen Leistungsberechtigung. Negativ-Evidenz. Dauerhafte volle Erwerbsminderung. Rentenbescheid. Übergang eines Unterhaltsanspruchs. Heilung eines Anhörungsmangels
Leitsatz (amtlich)
Der Einwand des Unterhaltspflichtigen, der Leistungen nach dem Dritten Kapitel beziehende Hilfeempfänger sei in Wirklichkeit dauerhaft voll erwerbsgemindert, ändert an seiner Auskunftspflicht nach § 117 SGB 12 nichts.
Orientierungssatz
Die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens nach § 117 SGB 12 setzt nicht voraus, dass ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch tatsächlich und nachweislich besteht.
Normenkette
SGB XII § 117 Abs. 1 S. 1, § 41 Abs. 3, § 43 Abs. 3, § 94 Abs. 1 Sätze 1, 3; SGB X § 24 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2; BGB § 1601; SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 11.05.2012 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Aufforderung zur Auskunftserteilung nach § 117 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Der 1957 geborene Kläger ist Vater des 1983 geborenen E F (im Folgenden: Hilfeempfänger). Der Hilfeempfänger gilt seit dem 15.06.1984 als schwerbehindert; bei ihm wurden unbefristet ein Grad der Behinderung von zurzeit 50 sowie die Merkzeichen G - Nachteilsausgleich "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" - und B - Nachteilsausgleich "Notwendigkeit ständiger Begleitung" - festgestellt. Er leidet an einer Tuberösen Sklerose mit Nieren- und Leberbeteiligung und lebt alleine. Seine Mutter, Frau D F, wurde 1989 vom Kläger geschieden und bezieht nach Aktenlage Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II).
Seit dem 29.06.2009 erhält der Hilfeempfänger von der Beklagten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB - Zwölftes Buch (XII). Die Beklagte ging dabei aufgrund eines Gutachten nach Aktenlage des Gesundheitsamtes des Rhein-Kreis O von einer vollen Erwerbsminderung des Hilfeempfängers im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) aus, die jedoch wegen der sehr seltenen und schweren Erkrankung und einer langandauernden Behandlung gegenwärtig nicht auf Dauer bestehe, sondern zunächst für ein Jahr anzunehmen sei. Gegen die entsprechenden Bewilligungsbescheide der Beklagten legte der Hilfeempfänger keinen Widerspruch ein. Bis zum Beginn der Sozialhilfeleistungen hatte der Hilfeempfänger Arbeitslosengeld II von der ARGE Rhein-Kreis O bezogen.
Mit Bescheid vom 12.11.2009 bewilligte darüber hinaus die Deutsche Rentenversicherung Rheinland dem Hilfeempfänger auf dessen Antrag vom 16.07.2009 eine bis zum 30.06.2011 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 15.06.2009 (nach den Angaben des Hilfeempfängers der Zeitpunkt der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit) beginnend am 01.01.2010. Grundlage der Rentenbewilligung war ein Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin N vom 28.10.2009, der bei dem Leistungsvermögen ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt, im Hinblick auf die Teilnahme des Hilfeempfängers an einer von der Charité in Berlin durchgeführten Studie jedoch ausgeführt hatte, der Krankheitsverlauf sei aus medizinischer Sicht abzuwarten, und eine Zeitrente für die Dauer von 2 Jahren empfohlen hatte. Gegen die Befristung der Rentengewährung legte der Hilfeempfänger ebenfalls keinen Widerspruch ein.
Die laufende Rentenzahlung rechnete die Beklagte fortlaufend als Einkommen des Hilfeempfängers an und gewährte ihm dementsprechend ab Februar 2010 geringere Sozialhilfeleistungen.
Mit Bescheid vom 04.08.2009 zeigte die Beklagte dem Kläger die Hilfegewährung an den Hilfeempfänger ab dem 29.06.2009 an und teilte ihm mit, dass er zu den potentiell unterhaltspflichtigen Personen gehöre und der Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers für die Zeit der Hilfegewährung auf sie übergehe. Weiterhin forderte sie den Kläger auf, gemäß § 117 SGB XII Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen.
Gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung erhob der Kläger am 19.08.2009 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass der Hilfeempfänger dauerhaft erwerbsgemindert im Sinne des Vierten Kapitels des SGB XII sei. Infolge dessen sei er als Vater nicht unterhaltspflichtig; denn er verdiene weniger als 100.000 Euro im Jahr.
Nach der Bewilligu...