Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsgeld. Anwendbarkeit des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit

 

Orientierungssatz

Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (SozSichAbk YUG) vom 12.10.1968 (BGBl II 1969, 1438) bezieht sich nach dessen Art 2 Abs 1 auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung sowie den Schutz der erwerbstätigen Mutter, die Unfallversicherung, die Rentenversicherung und das Kindergeld für Arbeitnehmer, nicht jedoch auf Erziehungsgeld, Familienleistungen oder Familienzulagen. Es ist auch nicht entsprechend auf Erziehungsgeld anwendbar (vgl BSG vom 28.3.2002 - B 10 EG 2/01 B).

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld für ihre Kinder A, geboren ... 1995, M, geboren ... 1996 und F, geboren ... 1998.

Die 1974 in Jugoslawien, Provinz Kosovo, geborene Klägerin ist, ebenso wie ihr Ehemann, jugoslawische Staatsangehörige. Sie reiste im November 1994 über Ungarn und Tschechien aus ihrer Heimat in das Bundesgebiet ein und lebt seither hier. Bis August 1999 erhielt sie befristete Aufenthaltsgestattungen, ab dem 02.09.1999 befristete Aufenthaltsbefugnisse. Eine von der Klägerin beantragte Anerkennung als Asylberechtigte wurde bestandskräftig abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Münster hat durch Urteil vom 01.06.1999 festgestellt, dass hinsichtlich der Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes vorliegen.

Einen für M am 27.12.1996 vom Ehemann der Klägerin gestellten Antrag auf Erziehungsgeld lehnte das beklagte Land mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.01.1997 ab, weil der Antragsteller nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis sei.

Mit einem am 10.05.2001 beim Versorgungsamt Münster eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für ihre drei Töchter.

Die Anträge bezüglich A und F wurden mit Bescheiden des beklagten Landes vom 21.05.2001 in der Gestalt von Widerspruchsbescheiden vom 17.07.2001 abgelehnt: Nach § 4 Abs. 2 S. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) werde Erziehungsgeld rückwirkend nur für sechs Monate vor der Antragstellung bewilligt. Der mögliche Anspruchszeitraum habe damit bereits am 14.08.1997 bzw. 30.09.2000 geendet. Unter Beachtung der Rückwirkungsfristen habe die Klägerin die Antragsfrist versäumt.

Bezüglich des Kindes M lehnte das beklagte Land den Erziehungsgeldantrag mit Bescheid vom 28.05.2001 in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 20.07.2001 ab: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 14.01.1997 nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Sie habe im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Erziehungsgeld nach § 1 Abs. 1a BErzGG gehabt, weil nach dieser Vorschrift der Anspruch eines Ausländers vom Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis abhängig sei. Über einen solchen Aufenthaltstitel habe die Klägerin nicht verfügt.

Die Klägerin hat am 13.08.2001 gegen die ablehnenden Bescheide Klagen zum Sozialgericht (SG) Münster erhoben, welche dieses zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden und sodann mit Urteil vom 12.12.2001 abgewiesen hat:

Die Klägerin habe gemäß § 4 Abs. 2 S. 3 BErzGG keinen Anspruch auf Erziehungsgeld für ihre Töchter, weil dieses rückwirkend höchstens für sechs Monate vor der Antragstellung bewilligt werde. Darüber hinaus habe sie als Ausländerin wegen der Vorschrift des § 1 Abs. 1a BErzGG keinen solchen Anspruch, weil sie zu den maßgeblichen Zeiträumen nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis gewesen sei. Schließlich könne sie sich auch nicht auf das Recht der Europäischen Gemeinschaften oder zwischenstaatliches Recht, insbesondere das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (BGBl. 1969, II S. 1438) -- Abk. BRD/Jugoslawien -- stützen. Dieses Abkommen umfasse nach dem Vertragstext nicht das Erziehungsgeld. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitere daran, dass kein dem Beklagten zuzurechnendes Fehlverhalten vorliege.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 18.12.2001 zugestellte Urteil am 18.01.2002 Berufung eingelegt. Sie hält das Abk. BRD/Jugoslawien für entsprechend anwendbar, denn dieses sehe die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen des jeweils anderen Vertragsstaates vor. Darüberhinaus dienten sowohl das Kindergeld als auch das Erziehungsgeld letztlich demselben übergeordneten Zweck. Ihrem Anspruch könne auch nicht die verspätete Antragstellung entgegengehalten werden. Sie sei aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe sie die Anträge jeweils fristgerecht gestellt, denn sie habe sich nach der Geburt ihres ersten Kindes A wegen der Gewährung von Erziehungsgeld an die Stadtverwaltung G gewandt, wo man ihr gesagt ha...

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