nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.05.1998; Aktenzeichen S 11 RJ 91/97) |
Nachgehend
BSG (Aktenzeichen B 5 RJ 54/02 R) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.05.1998 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21.11.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.05.1997 verurteilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 08.08.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.09.1996 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts, in dem ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit verneint wurde.
Die im ... 1953 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie hat in der Türkei keine Schule besucht und kann auch heute weder in ihrer Muttersprache noch in deutscher Sprache lesen und schreiben. Im Alter von sechs Jahren begann sie, ihren Lebensunterhalt durch das Knüpfen von Teppichen zu verdienen. Mit 16 Jahren heiratete sie und kam nach der Geburt mehrerer Kinder 1974 nach Deutschland, wo sie seitdem lebt. Auch in Deutschland absolvierte sie keine Berufsausbildung. Sie arbeitete in verschiedenen ungelernten Tätigkeiten, für die Lese- und Schreibkenntnisse nicht notwendig waren, zuletzt bis 1991 als Putzfrau. Ab September 1991 bezog die Klägerin entweder Krankengeld oder Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit mindestens bis September 1996.
Einen ersten Rentenantrag der Klägerin von August 1992 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin könne noch vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten verrichten. Das anschließende Klageverfahren blieb erfolglos (SG Düsseldorf - S 11 J 65/94 -; LSG NRW - L 3 J 111/95 -).
Im August 1996 stellte die Klägerin erneut einen Rentenantrag. Nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. V ... lehnte die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 21.11.1996 erneut ab, da die Klägerin nach wie vor in der Lage sei, körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20.05.1997).
Hiergegen hat die Klägerin am 18.06.1997 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben u.a. durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Orthopädie Dr. S ..., der eine Funktionsstörung im Bereich der Halswirbelsäule C 2/C 3 und C 3/C 4 mit leichter Nervenwurzelreizung, zweimalige Nukleotomie L 4/L 5 mit Funktionsstörung im Bereich der Lendenwirbelsäule, Minderung der groben Kraft des linken Beines, Fußaußenrand- und Fußheberschwäche links, ausgeprägte hypertone Myalgie im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Nerven- und Schultergürtels, Impingmentsyndrom des rechten Schultergelenks, Minderung der groben Kraft des linken Armes, Narbenbildung im Bereich der Lendenwirbelsäule, Genu valgum beidseits, Senk-Spreizfußbildung beidseits sowie operierten Hallux valgus beidseits diagnostizierte. Dieser Arzt hielt nur noch körperlich leichte Tätigkeiten mit kurzen Gehstrecken und wechselnd im Sitzen vollschichtig für möglich. Seiner Bewertung folgend hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 06.05.1998 abgewiesen. Ergänzend hat es dargelegt, dass auch wegen des Analphabetismus der Klägerin eine Verweisungstätigkeit nicht benannt werden müsse. Die hieraus resultierende Leistungseinbuße sei nämlich nicht auf eine Gesundheitsstörung zurückzuführen.
Nach Zustellung des Urteils am 14.05.1998 hat die Klägerin am 18.05.1998 Berufung eingelegt. Sie meint nach wie vor, wegen ihrer Wirbelsäulenerkrankung und auch unter Berücksichtigung des Analphabetismus erwerbsunfähig zu sein.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 06.05.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.11.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.05.1997 zu verurteilen, ihr auf ihren Antrag Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint insbesondere, der Analphabetismus der Klägerin beruhe ausschließlich auf einem unzureichenden Schulbesuch in der Türkei und sei deshalb rentenrechtlich irrelevant. Soweit das Bundessozialgericht im Urteil vom 04.11.1998 - B 13 RJ 13/98 R - entschieden habe, einem Versicherten, der Analphabet sei und der nur noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten verrichten könne, sei eine Verweisungstätigkeit zu benennen, sei dem nicht zu folgen. Die generelle und unterschiedslose Berücksichtigung eines ausschließlich auf sozialen Verhältnissen beruhenden Analphabetismus könne dazu führen, dass ein nicht auf gesundheitlichen Gründen beruhendes und damit unversichertes Risiko im Ergebnis den Rentenanspruch begründen würde. Diese Auslegung entspreche nicht den vom Großen Senat des Bundessozialgerichts aufgestellten Grundsätzen zur rentenrechtlich...