nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. Bausparguthaben. offensichtliche Unwirtschaftlichkeit. Billigkeitsprüfung. Ermächtigungsdeckung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Offensichtlich unwirtschaftlich ist eine Vermögensverwertung iS von § 1 Abs 3 Nr 6 AlhiV 2002 nur dann, wenn der dadurch erlangte bzw zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde.
2. Da das "Verschleuderungsverbot" nur die Substanz des Vermögens, nicht jedoch die Erwartung zukünftiger Vermögenszuwächse schützt, kann die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit nicht mit den in Zukunft zu erwartenden Erträgen begründet werden (vgl LSG Berlin vom 2.9.2003 - L 6 AL 16/03).
3. Mit einer Vermögensreduzierung von 3,6% des Vermögenswertes (hier Gebühr für die Auszahlung des Bausparguthabens) ist die Grenze einer Unwirtschaftlichkeit der Verwertung jedenfalls nicht erreicht.
4. Da der Verordnungsgeber mit der Neufassung der AlhiV 2002 die allgemeine Billigkeitsklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiV nicht übernommen hat, können weitere Lebensumstände des Arbeitslosen wie etwa die Dauer der Arbeitslosigkeit, sein Alter oder der Grad der Alterssicherung auch über den unbestimmten Rechtsbegriff der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit iS des § 1 Abs 3 Nr 6 AlhiV 2002 nicht mehr berücksichtigt werden (vgl LSG Berlin vom 26.7.2004 - L 6 AL 25/04).
5. Die AlhiV 2002 hält sich im Rahmen der gültigen Ermächtigung des § 206 Nr 1 SGB 3.
6. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten begegnet die Regelung des § 1 AlhiV 2002 keinen durchgreifenden Bedenken.
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09. April 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 21.02.2002 wegen mangelnder Bedürftigkeit.
Der am 00.00.00 geborene, ledige Kläger bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis zum 20.02.2000 und im Anschluss Alhi, zuletzt für den Bewilligungsabschnitt vom 21.02.2001 bis 20.02.2002.
Zu seinem Antrag auf Fortzahlung der Alhi vom 31.01.2002 gab der Kläger an, er verfüge über zwei Sparbücher mit Einlagen iHv 1000,- Euro bzw. 543,25 Euro. Ferner besitze er Wertpapiere mit einem derzeitigen Kurswert von 829,99 Euro bzw. 766,94 Euro (= 1500,- DM). Daneben bestehe ein Bausparvertrag mit einem aktuellen Guthaben iHv 41.360,21 Euro (Bausparsumme 102.258,38 Euro - Vertragsbeginn 31.03.1980). Bei einer Kündigung innerhalb von 14 Tagen trete ein Verlust iHv 1488,96 Euro ein.
Die Beklagte lehnte den Alhi-Antrag mit Bescheid vom 19.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2002 mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über Vermögen iHv 44.507,89 Euro (Sparbücher, Wertpapiere, Bauspardarlehen), das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages iHv 30.160,- Euro verbleibe ein Betrag iHv von 14.347,89 Euro, der bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei.
Mit seiner am 26.07.2002 bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Verwertung des Bausparvertrages sei ihm unzumutbar, da dieser der Altersvorsorge diene und somit Vermögen zur künftigen Existenzsicherung sei. Bei einer Verwertung durch Kündigung würde auch ein Verlust iHv 1488,96 Euro eintreten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.04.2003 abgewiesen und ausgeführt, für den Bewilligungsabschnitt ab 21.02.2002 seien die Vorschriften der AlhiV 2002 abwendbar. Diese enthielten keine dem § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AlhiV a.F. entsprechende Regelung, nach der die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt sei, nicht zumutbar sei. Nach Abzug eines Freibetrags iHv 29.640,- Euro (57 x 520,- Euro) verbleibe ein zu verwertendes Vermögen iHv 14.860,39 Euro, dessen Verwertung auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich sei. Zwar entstehe bei Kündigung des Bausparvertrages innerhalb von 14 Tagen ein Verlust iHv 1488,96 Euro, aus dem sich im Vergleich zum Bausparguthaben ein Verlust von 3,6 % ergebe. Hieraus folge jedoch keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung, weil das Ergebnis der Verwertung nur geringfügig vom wirklichen Wert abweiche.
Gegen das ihm am 15.04.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.05.2003 Berufung eingelegt. Er macht geltend, auch ein absoluter Betrag iHv 1488,96 Euro als Verlust bei vorzeitiger Kündigung des Bausparvertrages könne nicht als noch "wirtschaftlich vertretbar" oder nur geringfügig angesehen werden. Hinzu komme, dass bereits die Kündigung des Bausparvertrages im Hinblick auf die Aufgabe der Anlageform...