Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Versicherungsträger gegenüber dem Erstattungsanspruch von Versicherungsbeiträgen

 

Orientierungssatz

1. Der Erstattungsanspruch desjenigen, der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu Unrecht entrichtet hat, verjährt nach § 27 Abs. 2 S. 1 SGB 4 in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Ob der Versicherungsträger die Verjährungseinrede erhebt, steht in dessen Ermessen. Bei der Ermessensausübung ist u. a. das zur Beitragszahlung führende Verhalten der Behörde zu berücksichtigen.

2. Der Versicherungsträger ist nicht gehindert, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen, wenn in der Zwischenzeit eine Betriebsprüfung durch den Rentenversicherungsträger stattgefunden hat. Betriebsprüfungen haben den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber können aus Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten, weil einer Betriebsprüfung eine über die Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung nicht zukommt.

3. Dabei besteht nach der Rechtsprechung des BSG keine Unterscheidung zwischen großen und kleinen Betrieben hinsichtlich Umfang und Schutzzweck von Betriebsprüfungen. Ist über den reinen Prüfzweck keine darüber hinausgehende Prüfung vorgenommen worden und ist dem Arbeitgeber lediglich bescheinigt worden, dass die Prüfung keine Beanstandungen ergeben habe, so kann sich der Versicherungsträger uneingeschränkt auf die Einrede der Verjährung berufen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.03.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gemäß § 351 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Der am 00.00.1969 geborene Kläger war seit dem 16.08.1997 bei seinem Vater H in dessen Kfz-Werkstatt beschäftigt. Für den Kläger wurden Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Nach Eintritt des Klägers in den Betrieb waren in dem Betrieb nur der Kläger und sein Vater tätig, ab Anfang 2002 zusätzlich noch der Bruder des Klägers und ein Auszubildender.

Am 28.10.1999 führte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinland (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Rheinland) eine Betriebsprüfung in dem Betrieb des Herrn H durch. Der Prüfzeitraum umfasste den Zeitraum vom 01.01.1995 bis zum 31.12.1998. Der Senat hat zu dieser Betriebsprüfung schriftliche Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 03.01.2011, 14.02.2011 und 13.07.2011 eingeholt und sodann den damaligen Betriebsprüfer Herrn A als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.11.2011 Bezug genommen (Blatt 119 ff. der Gerichtsakte).

Am 12.06.2003 führte die LVA Rheinland im Betrieb des Herrn H eine erneute Betriebsprüfung durch (Prüfzeitraum 01.01.1999 bis 31.12.2002). Mit Schreiben vom 16.06.2003 bestätigte sie Herrn H: "Die durchgeführte Prüfung hat keine Beanstandungen ergeben."

Mit Schreiben vom 16.03.2006 beantragte der Kläger bei der AOK Rheinland eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit ab dem 16.08.1997. Dabei machte er zu seiner Tätigkeit folgende Angaben:

"Nach meiner Ausbildung zum Kfz-Elektriker bei der Fa. T arbeite ich nun schon seit 1997 im elterlichen Familienbetrieb. Dort habe ich von Anfang an die Werkstattleitung übernommen. Ich war u.a. auch für die Rechnungs- und Angebotserstellung sowie für den Waren- und Werkzeugeinkauf zuständig. Somit bin ich auch im Besitz einer Bankvollmacht. Für das Einstellen von Personal bin ich auch verantwortlich. Seit meiner Ausbilderprüfung bin ich auch berechtigt, Lehrlinge auszubilden. 2003 habe ich auch meine Meisterprüfung zum Kraftfahrzeugtechniker sowie eine Ausbildung zum Kfz-Servicetechniker absolviert. Durch meine Weiterbildungsmaßnahmen habe ich den Servicebereich erweitert. Zum Wohle des Unternehmens habe ich auch eine Computeranlage mit in die Firma eingebracht. Da von Anfang an geplant war, dass ich das Familienunternehmen übernehmen werde, habe ich ebenfalls zum Wohle des Unternehmens mein Gehalt von Anfang an sehr niedrig gehalten.

Meine Eltern und ich haben alle wesentlichen Unternehmensentscheidungen gemeinsam und übereinstimmend getroffen. Meine Arbeitszeiten und Urlaub richten sich stets nach den betrieblichen Erfordernissen.

Ich bitte um Bestätigung, dass ich seit dem o.g. Zeitpunkt nicht sozialversicherungspflich- tig bin und verweise im Übrigen auf meine Angaben in dem beigefügten Feststellungsbogen nebst Anlagen."

Die AOK Rheinland teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 06.06.2006 mit, dass ein abhängiges, zur Versicherungspflicht führendes Beschäftigungsverhältnis ab dem 16.08.1997 nicht vorliege. Die für die Versicherungspflicht eines Familienangehörigen unabdingbare Voraussetzung sei die ...

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