Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Versicherungsbefreiung. Landwirtsehegatte. Weiterversicherung. Stichtagsregelung. Gesetzeslücke. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Es ist nicht zulässig, § 85 Abs 3 S 2 Nr 1 ALG durch Rechtsfortbildung abweichend vom Wortlaut dahingehend zu ergänzen, daß der Personenkreis der gemäß § 27 GAL Weiterversicherten davon nicht erfaßt wird. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die von der Rechtsprechung in diesem Sinne zu schließen wäre, liegt nicht vor.
2. Die in § 85 Abs 3 S 1 und 2 ALG gewählten Abgrenzungskriterien für den einmaligen Befreiungstatbestand sind nicht verfassungswidrig, insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vor.
3. Gegen die grundsätzliche Einbeziehung von Ehegatten von Landwirten in den Kreis der Versicherungspflichtigen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Anschluß an BSG vom 12.2.1998 - B 10 LW 2/97 R).
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gemäß § 85 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) von der Versicherungspflicht zu befreien ist.
Seit 1971 ist die 1941 geborene Klägerin mit dem Landwirt J B verheiratet. In der Zeit vom 01.03.1966 bis zum 31.12.1975 war sie als landwirtschaftliche Unternehmerin nach dem seinerzeit gültigen Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) beitragspflichtig zur Beklagten. Nachdem sie die von ihr bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen ab dem 01.01.1976 an ihren Ehemann abgegeben hatte, erteilte sie mit Datum vom 25.03.1976 die Weiterversicherungserklärung gemäß § 27 Abs. 1 GAL und zahlte in der Folgezeit eigene Beiträge zur Beklagten.
Mit Schreiben vom 29.12.1994 wies diese die Klägerin darauf hin, daß mit Inkrafttreten des Agrarsozialreformgesetzes (ASRG) ab dem 01.01.1995 an die Stelle des bisherigen GAL nunmehr das ALG treten werde. Für sie, die Klägerin, sei damit keine Änderung verbunden. Sie bleibe gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 ALG auch noch über den 31.12.1994 hinaus versicherungspflichtig, da sie am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirtin oder als mitarbeitende Familienangehörige beitragspflichtig sei. Es bestehe jedoch gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 ALG die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht ab dem 01.01.1995, sofern die Klägerin die 15-jährige Wartezeit für eine Altersrente bis zum 31. Dezember 1994 erfüllt habe.
Im März 1995 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit der Frage, ob für sie eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 85 Abs. 3 ALG in Frage komme, und bat zugleich um Mitteilung der voraussichtlichen Höhe der Altersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres sowohl für sie selbst als auch für ihren Ehemann.
Mit Bescheid vom 25.04.1995 stellte die Beklagte die Mitgliedschaft und Beitragspflicht der Klägerin als Ehefrau des Landwirtes J B mit Wirkung vom 01.01.1995 fest sowie die Beendigung der Veranlagung als Weiterentrichtende mit dem 31.12.1994. Eine Befreiung gemäß § 85 Abs. 3 ALG komme nicht in Betracht, da die Klägerin am 31.12.1994 beitragspflichtig gewesen sei. Ergänzend teilte die Beklagte mit Schreiben vom 03.05.1995 die voraussichtliche Höhe der zu erwartenden Altersrenten für das Ehepaar mit. Hierbei räumte sie ein, daß sich die über viele Jahre geleistete doppelte Beitragszahlung gegenüber der zum 01.01.1995 eingeführten Möglichkeit des Zusplittens von Rentenbeiträgen ab der Heirat, vgl. § 92 ALG, auf die Gesamthöhe der Renten für das Ehepaar nur in geringem Maße auswirke.
Gegen die Einstufung der Klägerin als versicherungspflichtig ab dem 01.01.1995 legte ihr Ehemann mit Schreiben vom 28.10.1995 Widerspruch ein. Er machte geltend, die neue gesetzliche Regelung berücksichtige die Konstellation der doppelten Beitragszahlung nicht genügend. Auch sei seine Ehefrau bis zum 31.12.1994 nicht beitragspflichtig, sondern freiwillig versichert gewesen sei.
Die Beklagte verwarf den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.1995 als unzulässig; denn die Klägerin habe die einmonatige Widerspruchsfrist versäumt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Den im Schriftsatz vom 28.10.1995 enthaltenen erneuten Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 85 Abs. 3 ALG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.01.1996 mit der Begründung ab, die Klägerin sei am 31.12.1994 als Beitragszahlerin gemäß § 27 GAL beitragspflichtig gewesen.
Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch vom 02.02.1996 machte die Klägerin erneut geltend, sie sei am 31.12.1994 nicht beitragspflichtig im Sinne von § 85 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ALG gewesen, sondern habe vielmehr auf ihre Weiterversicherungserklärung hin freiwillige Beiträge geleistet. Auch verstoße die Vorschrift des § 85 Abs. 3 Satz 3 ALG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG); denn diejenigen Ehegatten von Landwirten, die in der Vergangenheit selbst Beiträge bis zum 31.12.1994 gezahlt hätten, seien vom Befreiun...