Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Durchsetzung eines Regressanspruchs gegen einen Schadensersatzpflichtigen wegen der von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung an einen Geschädigten aufgrund eines Schadensereignisses erbrachten Erwerbsminderungsrentenleistungen. keine Erhöhung des Zugangsfaktors bei der Berechnung der an die Erwerbsminderungsrente anschließenden Regelaltersrente. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Orientierungssatz
1. Unterlässt der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die Durchsetzung eines Regressanspruchs gegen einen schadensersatzpflichtigen Schädiger wegen der an einen Geschädigten aufgrund eines Schadensereignisses erbrachten Erwerbsminderungsrentenleistungen, so bleibt bei der Berechnung der auf die Erwerbsminderungsrente folgenden Regelaltersrente der Zugangsfaktor der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit maßgebend.
2. Insoweit sind die Ausführungen des BSG in seiner Entscheidung vom 13.12.2017 - B 13 R 13/17 R = BSGE 125, 46 = SozR 4-2600 § 77 Nr 1 nicht auf Konstellationen der unterlassenen Durchsetzung des Rentenregressanspruchs übertragbar.
3. Ein Leistungsregress nach § 116 SGB 10 kann als tatsächliche Begebenheit nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert bzw hergestellt werden (zu § 119 SGB 10 vgl LSG Stuttgart vom 30.1.2014 - L 7 R 4417/11 sowie vom 27.3.2015 - L 10 R 2689/12, entgegen SG Itzehoe vom 26.8.2021 - S 3 R 307/17).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 04.12.2018 geändert und die Klage abgewiesen.
Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung einer höheren Regelaltersrente ohne fortgesetzte Minderung des Zugangsfaktors aufgrund vorangegangenen Bezugs einer Erwerbsminderungsrente nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) streitig.
Die am 00.00.1951 geborene Klägerin absolvierte eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und war zuletzt als Sachbearbeiterin im Ein- und Verkauf im Stahlhandel tätig.
Während eines Urlaubs in Ägypten erlitt die Klägerin am 26.01.2009 durch einen Sturz auf der Gangway eines Kreuzfahrtschiffes einen Unfall und zog sich mehrere Verletzungen zu. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig, bezog bis zum 08.03.2009 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und anschließend bis zum 25.07.2010 Krankengeld. Infolge des Unfalls ist die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 80; festgestellt sind zudem die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit), "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung).
Am 26.04.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12.07.2010 mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle die medizinischen Voraussetzungen nicht. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 16.07.2010 half die Beklagte im Widerspruchsverfahren ab. Mit Rentenbescheid vom 24.08.2010 bewilligte sie der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.08.2009 bis zum 30.09.2011 in Höhe von 759,37 Euro netto. Mit Rentenbescheid vom 01.04.2011 verlängerte die Beklagte (aufgrund des Antrags vom 08.02.2011) die der Klägerin gewährte Zeitrente bis zum 30.09.2012. Mit weiterem Rentenbescheid vom 26.06.2012 entsprach die Beklagte dem Antrag auf Weiterzahlung der Rente vom 28.02.2012 und bewilligte ab dem 01.10.2012 bis zum 31.03.2017 die Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der Haftpflichtversicherer des Reiseveranstalters, die G. Versicherung AG (G. AG), erstattete der Beklagten im Wege des Regresses für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.03.2017 Beiträge für eine der Klägerin nicht mehr mögliche Erwerbstätigkeit. Für die der Klägerin ab dem 01.08.2009 bis zum Zahlungsbeginn der Altersrente erbrachten Rentenleistungen nahm die Beklagte den Haftpflichtversicherer nicht in Anspruch. Zum Hintergrund führte sie gegenüber der Klägerin aus, dass sie von der Barmer Ersatzkasse mit Schreiben vom 18.05.2009, eingegangen am 26.05.2009, über den Unfall informiert worden sei. Mit Schreiben vom 03.06.2009 habe sie ihre Ansprüche sowohl gegenüber dem Reiseveranstalter als auch gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend gemacht. Während der Haftpflichtversicherer den Erhalt des Schreibens nach mehreren Erinnerungen bestätigt habe, habe der Reiseveranstalter den Rückschein nicht zurückgesandt. Der Haftpflichtversicherer habe den Anspruch der Beklagten daher als verfristet zurückgewiesen. Im Rahmen einer Sammelbesprechung am 12.12.2012 sei von Seiten des Haftpflichtversicherers vorgetragen worden, dass der Reiseveranstalter das Schreiben am 10.06.2009 erhalten habe. Der Haftpflichtversicherer habe geltend gemacht, dass die Anspruchsmeldung erst nach 13 Werktagen bei dem Reiseveranstalter eingegangen und damit nicht unverzüglich erfolgt sei. Er habe seine ...