Entscheidungsstichwort (Thema)

Festlegung des Umfangs der Eigenbemühungen des Hilfebedürftigen im Eingliederungsverwaltungsakt

 

Orientierungssatz

1. Der Erlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes ist u. a. dann zulässig, wenn im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Vereinbarung als nicht sachgerecht erscheinen lassen. Hierzu zählt der Fall, dass der Grundsicherungsträger erfolglos zahlreiche Versuche unternommen hat, eine konsensuale Einigung zu erzielen.

2. Eine Verpflichtung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, innerhalb von sechs Monaten 30 Bewerbungen nachzuweisen, ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist dem Hilfebedürftigen hierbei die Aufnahme jeder Arbeit zumutbar; dazu zählen Tätigkeiten unterhalb erworbener Qualifikation und Erfahrung; ebenso die Aufnahme einer geringfügigen oder befristeten Beschäftigung sowie bei einer Zeitarbeitsfirma.

3. Die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, alle Möglichkeiten zur Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen, ist mit Art. 12 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Dem Kläger werden für das Berufungsverfahren Kosten in Höhe von 225,00 Euro auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts.

Der Kläger bezieht seit 2005 Grundsicherungsleistungen. Zwischen ihm und dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger (im Folgenden einheitlich Beklagter) besteht seit Beginn des Leistungsbezugs Streit über den Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen. Die Streitigkeiten waren Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren.

Bereits mit Schreiben vom 13.07.2006 und 14.07.2006 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Absenkung der Leistungen an, da er sich am 13.07.2006 und 14.07.2006 geweigert habe, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Mit Schreiben vom 24.07.2006 erklärte der Kläger u.a., dass der Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung einem Kontrahierungszwang gleichkomme und damit gegen die Vertragsfreiheit verstoße. Die Eingliederungsvereinbarung sei ein erzwungener zivilrechtlicher Vertrag, der für ihn erhebliche Nachteile hinsichtlich der Verwendung seiner Regelleistung, der Bewegungsfreiheit und der freien Berufswahl bedeute. Mit der Beantragung von Grundsicherungsleistungen werde er diesen verfassungswidrigen gesetzlichen Regelungen unterworfen. Mit derselben Begründung legte der Kläger am 30.07.2006 Widerspruch gegen einen Absenkungsbescheid ein.

Am 20.03.2007 weigerte der Kläger sich erneut, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Hierzu wurde er mit Schreiben vom 23.03.2007 angehört. Mit Schreiben vom 05.04.2007 wiederholte der Kläger die vorgenannte Argumentation. Mit Schreiben vom 04.07.2007 hörte der Beklagte den Kläger erneut dazu an, dass er sich geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Hierzu bekundete der Kläger am 17.07.2007, dass er die Vereinbarung nicht unterschrieben habe, da er ein Bewerbungstraining schon zweimal gemacht habe, er gerne einen Vorbereitungslehrgang für die Meisterprüfung im Kfz-Mechanikerhandwerk absolvieren wolle und die Aufenthaltsbestimmung außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches gegen die Bewegungsfreiheit verstoße. Mit Schreiben vom 25.07.2007 wiederholte er diese Einwendungen gegen eine ihm am 28.06.2007 ausgehändigte Eingliederungsvereinbarung. Am 19.09.2007 wurde dem Kläger wiederum eine Eingliederungsvereinbarung zum Abschluss vorgelegt. Mit Schreiben vom 24.09.2007 und 10.10.2007 berief er sich abermals auf die genannten Ablehnungsgründe. Auch unter dem 10.04.2008 lehnte er den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung unter Wiederholung seiner grundsätzlichen Einwendungen ab. Mit Bescheiden vom 24.03.2009, 15.02.2010, 01.07.2010, 16.05.2011 und 15.11.2011 ersetzte der Beklagte jeweils eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt. Hiergegen wandte sich der Kläger jedes Mal mit der Begründung, der Inhalt sei mit ihm nicht vereinbart worden und verstoße gegen das Grundgesetz und die Menschenrechtserklärung. Mit Schriftsatz vom 17.06.2010 ließ der Kläger im Verfahren L 19 AS 2176/10 durch seinen Prozessbevollmächtigten vortragen, es sei richtig, dass er nicht bereit gewesen sei, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Er sei der Ansicht, dazu nicht verpflichtet zu sein.

Mit Bescheid vom 21.05.2012 ersetzte der Beklagte wiederum eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt. Die hierin enthaltenen Regelungen sollten vom 21.05.2012 bis zum 20.11.2012 gelten. Der Kläger wurde mit dem Bescheid u.a. verpflichtet, in den nächsten sechs Monaten - beginnend mit dem Tag der Unterzeichnung - mindestens fünf Bewerbungsbemühungen monatlich um sozialversicherung...

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