Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung des Verfahrensbeteiligten wegen überlanger Verfahrensdauer
Orientierungssatz
1. Nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.
2. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten des Verfahrensbeteiligten und Dritter.
3. Entschädigungsrelevant ist eine zeitzehrende Verfahrensgestaltung nur dann, wenn das Handeln oder Unterlassen des Gerichts nicht mehr von Art. 97 Abs. 1 GG gedeckt ist, es also offenkundig fehlsam oder offenkundig unvertretbar agiert.
4. Nach der Rechtsprechung des BSG ist dem Sozialgericht bei Verfahren mit etwa durchschnittlicher Schwierigkeit und Bedeutung eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu 12 Monaten eingeräumt.
5. Sind verzögerungsrelevante Bearbeitungslücken nicht erkennbar, so ist bei einer Zeitspanne von zwölf Monaten je Instanz eine unangemessene Verfahrensdauer nicht festzustellen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Entschädigung wegen Staatshaftung nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Er macht eine unangemessene Dauer der Gerichtsverfahren S 2 SB 138/09, S 2 SB 3517/11, S 2 SB 3020/11, S 2 SB 3154/12 und S 2 SB 3179/12 Sozialgericht (SG) Dortmund einschließlich nachfolgend vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen anhängig gewesener Verfahren geltend.
Am 17.04.2009 erhob er Klage (S 2 SB 138/09), mit der er die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) begehrte. Das Verfahren endete durch Vergleich am 23.06.2010. Die hiergegen am 23.08.2010 eingelegte Beschwerde verwarf das LSG Nordrhein-Westfalen durch am 19.05.2011 zugestellten Beschluss vom 13.04.2011 - L 13 SB 235/10 B -. Angesichts des unklaren Inhalts seines Schreibens vom 07.02.2011 und auf mehrmalige Nachfragen des SG, ob er den Vergleichsabschluss bestreite, wurde am 06.12.2011 eine neue Klage eingetragen (S 2 SB 3517/11), um die Erledigung des Verfahrens S 2 SB 138/09 zu klären. Dieses Verfahren schloss durch Erledigungserklärung im Erörterungstermin vom 18.01.2012. Am 19.08.2011 erhob der Kläger Untätigkeitsklage (S 2 SB 3020/11) gegen den Kreis V wegen eines Überprüfungsantrags vom 24.06.2011. Nach Erteilung des Bescheides vom 29.11.2011 sowie Nachfrage des SG vom 07.12.2011, ob die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt werde, wurden die Beteiligten am 15.12.2011 zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.02.2012 ab. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 28.02.2012 (L 10 SB 84/12) nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2012 zurück. Am 02.10.2012 erhob er Klage gegen den Bescheid vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2012 (S 2 SB 3154/12) und gegen den Bescheid vom 05.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2012 (S 2 SB 3179/12), jeweils wegen Erhöhung des GdB. Die Klage in der Sache S 2 SB 3154/12 wies das SG mit Urteil vom 18.06.2014 ab. Hierauf beantragte der Kläger mündliche Verhandlung (Schreiben vom 30.06.2014) und griff das Urteil parallel dazu mit der Berufung an (Schreiben vom 03.07.2014). Das LSG belehrte ihn darüber, dass ein Antrag auf mündliche Verhandlung nicht statthaft sei (Verfügung vom 15.09.2014). Ungeachtet dessen beharrte der Kläger auf seinem Antrag (Schreiben vom 21.09.2014). Die Berufung wies das LSG durch Urteil vom 12.12.2014 - L 13 SB 242/14 - unter Auferlegung von Mutwillenskosten (§ 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) in Höhe von 1000,00 EUR zurück (Urteil vom 12.12.2014 - L 13 SB 242/14 -). Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 26.03.2015 - B 9 SB 14/15 B -. Die Klage in der Sache S 2 SB 3179/12 wies das SG durch Gerichtsbescheid vom 25.08.2014 ab. Hierauf beantragte der Kläger mündliche Verhandlung (Schreiben vom 14.09.2014), den das SG durch Beschluss vom 14.10.2014 - S 2 SB 3179/12 - verwarf. Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 02.11.2014 wies das LSG zurück (Beschluss vom 25.11.2014 - L 13 SB 416/14 B -). Die Berufung blieb - unter Auferlegung von Mutwillenskosten - erfolglos (Urteil des LSG vom 12.12.2014 - L 13 SB 359/14 -). Die NZB verwarf das BSG mit Beschluss vom 16.03.2015 - B 9 SB 15/15 B -.
Am 14.05.2013 hat der Kläger eine Entschädigungsklage (§ 198 GVG) vor dem erkennenden Senat anhängig gemacht (L 11 SF 398/15 EK SB). Zur Begründung trägt er vor, trotz mehrmaliger Aufforderung habe das SG keinen Verhandlungstermin festgelegt, um über seine Klage aus dem Jahr 2009 zu entscheiden. Mehrmals habe er das SG erfolglos wegen Verzögerung gerügt. In dem am 17.04.2009 eingeleiteten Verfahren habe er unter Bedrohung durch die Richterin am 2...