Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Antragserfordernis. verspäteter Folgeantrag nach Ablauf des Bewilligungszeitraums. keine rückwirkende Bewilligung. Beweislast für Zugang des Folgeantrags. kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Orientierungssatz
1. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nach § 37 Abs 2 S 1 SGB 2 nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht. Dies gilt auch für Folgeanträge nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes. Ein verfahrensrechtlicher Antrag wirkt fort und bleibt nur solange wirksam, wie die Bewilligungsentscheidung nicht zurückgenommen, wiederrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs 2 SGB 10). Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes gem § 41 Abs 1 S 4 SGB 2 erlischt daher die Wirkung des ursprünglichen Antrages auf Leistungen der Grundsicherung, so dass ein neuer (Folge-)Antrag notwendig ist.
2. Die Hilfebedürftige trägt für den Zugang der Willenserklärung bzw des Antrages nach SGB 2 die Beweislast. Auch für normale Postsendungen besteht entgegen einer in der Literatur vertretenen Mindermeinung kein Beweis des ersten Anscheins, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreicht. Es gilt lediglich bei nachgewiesenem Zugang der Anscheinsbeweis, dass ein Schreiben mit dem Inhalt angekommen ist, mit dem es abgesandt wurde.
3. Ist der Grundsicherungsträger seiner Verpflichtung nachgekommen, den Hilfebedürftigen auf die Notwendigkeit eines Folgeantrages rechtzeitig hinzuweisen, so kann der Hilfebedürftige auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als hätte er den Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr auf die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2006 bis zum 27.02.2006 gerichtetes Begehren weiter.
Die 1972 geborene ledige Klägerin beantragte am 15.11.2004 erstmalig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, welche ihr die Beklagte zunächst für die Zeit vom 01.02.2005 bis zum 31.07.2005 gewährte. Am 26.07.2005 ging der von der Klägerin gestellte Fortzahlungsantrag bei der Beklagten ein. Daraufhin wurden ihr auch für die Zeit vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006 mit Bescheid vom 28.07.2005 Leistungen nach dem SGB II gewährt.
Am 28.02.2006 erschien die Klägerin bei der zuständigen Außenstelle der Beklagten und beantragte erneut die Fortzahlung von Leistungen. Sie trug vor, bereits im Dezember 2005 einen Folgeantrag gestellt zu haben. Ein solcher lag der Beklagten nicht vor. Dies teilte sie der Klägerin im Rahmen des Gesprächs mit.
Mit Bescheid vom 01.03.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 28.02.2006 bis zum 31.07.2006. Mit weiterem Bescheid vom 01.03.2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin, ihr auch für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 27.02.2006 Leistungen zu gewähren, mangels rechtzeitiger Antragstellung ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 09.03.2006 Widerspruch ein. Sie habe den Folgeantrag bereits im Dezember 2005 gestellt. Dass sie keinen Bewilligungsbescheid erhalten habe, habe ihr nicht zu denken gegeben, weil sie gemeint habe, dies würde wegen des Umzugs der Beklagten etwas dauern. Erst am 17.02.2006 (Freitag) sei sie bei ihrer Bank gewesen und habe dort erfahren, dass kein Geld überwiesen worden sei. Sie sei auch deshalb nicht eher zur Bank gegangen, weil sie ihren Kontostand in der Regel kenne. Am Montag (20.02.2006) sei sie dann vom Arbeitsamt an die Hotline-Nr. der Beklagten verwiesen worden, wo sie niemanden erreicht habe. Am Freitag (24.02.2006) habe sie vor verschlossenen Türen gestanden. Öffnungszeiten seien Dienstag und Donnerstag, weshalb sie erst am 28.02.2006 bei der Beklagten persönlich vorstellig geworden sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2006 als unbegründet zurück. Einen Folgeantrag habe die Klägerin nicht rechtzeitig gestellt, so dass wegen § 37 SGB II eine Leistungsgewährung erst ab dem 28.02.2006 in Betracht komme. Die Leistungen für Januar habe die Klägerin bereits am 14.12.2005 erhalten. Es erscheine daher lebensfremd, dass sie sich erst am 17.02.2006 um die Februar-Zahlung gekümmert haben wolle. Auch sei nicht verständlich, warum die Klägerin nicht früher persönlich vorstellig geworden sei.
Gegen den am 28.06.2006 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 20.07.2006 Klage erhoben. Sie hat gemeint, der in der zweiten Dezemberwoche 2005 gestellte Folgeantrag sei bei der Beklagten nicht angekommen, sondern auf dem Postweg verloren gegangen. Sie habe den Antrag im Dezember 2005 geschrieben und diesen dann mit der Zeugin C auf dem Weg zum Fußballtraining zum Briefkasten gefahren, wo die Zeugin ihn eingeworfen habe. Den Antrag habe sie noch gehabt, weil sie sich be...