Entscheidungsstichwort (Thema)
Regress gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Methadon-Substitution
Orientierungssatz
1. Nach § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens zur Zulässigkeit einer Anfechtungsklage nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt. Nach § 106 Abs. 5 S. 8 SGB 5 i. V. m. den nach § 92 SGB 5 ergangenen Richtlinien findet ein Vorverfahren nicht statt, wenn sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt.
2. Liegen die in den Substitutions-Richtlinien geregelten Voraussetzungen zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung bei manifest Opiatabhängigen in der vertragsärztlichen Versorgung nicht vor, so ist die Behandlung bzw. Verordnung von Methadon nicht zulässig. Bei einem somit leicht überprüfbaren Sachverhalt ist die Frage nach dem Leistungsausschluss eindeutig zu beantworten, vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 - B 6 KA 13/10 R.
3. Bei einer unzulässigen Verordnung durch einen Vertragsarzt kommt es bei einem Regress der Kassenärztlichen Vereinigung auf einen dieser überhaupt entstandenen Schaden nicht an. Maßgeblich ist insoweit ausnahmslos die vom BSG zum normativen Schadensbegriff entwickelte Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 05. Mai 2010 - B 6 KA 5/09 R.
4. Das vertragsärztliche Prinzip, wonach kein Raum für die Berücksichtigung hypothetischer alternativer Geschehensabläufe ist, gilt gleichermaßen für Verfahren nach § 106 SGB 5 wie für solche gemäß § 48 BMV-Ä.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.05.2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des zweiten Rechtszugs. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Verordnungsregresses.
Der Kläger ist Praktischer Arzt und zur vertragsärztlichen Versorgung in C zugelassen. Zumindest in den vorliegend streitgegenständlichen Quartalen besaß er die Genehmigung zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger.
Im März und im Juni 2008 beantragte die Beigeladene zu 1) die Prüfung der Arzneiverordnungen des Klägers in den Quartalen I, II und III/2007 in besonderen Fällen nach § 16 der Prüfvereinbarung. Zur Begründung gab sie an, zu ihren Lasten seien Methadonverordnungen i.H.v. 3.952,43 EUR netto vorgenommen worden, ohne dass eine Behandlung Opiatabhängiger nach den Richtlinien der BUB-Kommission oder ihr angezeigt worden sei.
Zu den ihm übersandten Prüfanträgen nahm der Kläger keine Stellung bzw. teilte mit, dass er mit einem Regress nicht einverstanden sei.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 26.11.2008 gegen den Kläger einen Regress i.H.v. 3.885,88 EUR fest. In dieser Höhe hätten in den Quartalen I, II und III/2007 Methadonverordnungen nicht erfolgen dürfen. Nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung seien Beginn und Beendigung einer Substitution von dem Arzt unverzüglich der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der leistungspflichtigen Krankenkasse anzuzeigen. Nach Auskunft der BUB-Kommission der Beigeladenen zu 2) sei für einen der von der Beigeladenen zu 1) im Einzelnen aufgelisteten Patienten eine entsprechende Genehmigung erteilt worden. Für die weiteren Patienten liege keine Anzeige über Beginn und Beendigung der Methadon-Substitution vor. Da der Genehmigungsumfang der Versorgung überschritten worden sei, hätten die in Rede stehenden Verordnungen nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen rezeptiert werden dürfen.
Mit seiner Klage vom 23.12.2008 hat der Kläger vorgetragen, wegen eines Praxisumzuges habe er nicht klären können, ob jeder der zu beurteilenden Fälle der Substitutionsbehandlung der BUB-Kommission oder der Beigeladenen zu 1) angezeigt worden sei. Darauf komme es jedoch auch nicht an. § 16 Prüfvereinbarung setze nämlich stets voraus, dass ein Schaden eingetreten sei. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall. Die Versicherungsnehmer der Beigeladenen zu 1) seien in den Genuss einer medizinisch indizierten und nach den Regeln der ärztlichen Kunst verordneten Arzneimittelverordnung gekommen. Hierdurch sei die Beigeladene zu 1) von ihrer Pflicht zur Versorgung ihrer Patienten mit Arzneimitteln befreit worden. Dies stelle einen Vermögenszufluss bei der Beigeladenen zu 1) dar, der den Vermögensabfluss wegen der Erstattung der Arzneimittelkosten vollständig kompensiere. Damit sei der Beigeladenen zu 1) kein Schaden entstanden.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.11.2008 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 11.05.2011 abgewiesen. Der Regress sei rechtmäßig. Eines Vorverfahrens habe es nicht bedurft. Bei der Prüfung, ob die Methadonverordnungen des Klägers richtlinienkonform erfolgt seien, handele ...