Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls
Orientierungssatz
1. Zur Gewährung von Versichertenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls nach §§ 8 Abs. 1, 56 SGB 7 muss das Vorliegen eines Gesundheitserstschadens bzw. eines Gesundheitsfolgeschadens im Wege des Vollbeweises, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen.
2. Dagegen genügt für den Nachweis des wesentlichen Ursachenzusammenhanges zwischen Unfallereignis und Gesundheitserst- bzw. -folgeschadens die hinreichende Wahrscheinlichkeit.
3. Für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) wird eine verzögerte oder protahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis gefordert. Neben dem Traumakriterium müssen bestimmte Symptome des Wiedererlebens vorliegen, die auf das traumatische Ereignis bezogen sind und die danach aufgetreten sind.
4. Fehlen diese, so ist eine PTBS als Folge eines Arbeitsunfalls nicht anzuerkennen und Unfallentschädigung zu versagen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.12.2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin wegen der Folgen eines am 21.08.2006 erlittenen Arbeitsunfalls eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1962 geborene Klägerin war bei der Firma T als Filialleiterin beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurde sie am 21.08.2006 Opfer eines Raubüberfalls. Laut Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 30.08.2006 bedrohte ein unbekannter Täter die Klägerin mit einer Pistole und forderte die Herausgabe des Tresorinhaltes. Danach schloß er sie in der Toilette ein und flüchtete.
Wegen der Vorabmeldung des Überfallgeschehens durch den Arbeitgeber veranlasste die Beklagte eine Akutintervention, aufgrund derer die Klägerin an mindestens einem Therapiegespräch bei einer Psychologin teilnahm. Danach trat sie einen Urlaub an. Nach Urlaubsrückkehr nahm sie ihre Tätigkeit bei T wieder auf. Es erfolgten zunächst keine weiteren psychotherapeutischen oder psychiatrischen Therapien.
Mehr als vier Jahre später, im Dezember 2010, meldete die für die Klägerin zuständige BKK für Heilberufe bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 105 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) an, da Krankengeldleistungen seit 02.04.2010 und Psychotherapie seit 14.04.2010 übernommen worden seien. Im Rahmen eines Telefonats vom 23.03.2011 teilte die Klägerin mit, sie sei nunmehr seit März 2010 in psychiatrischer bzw psychologischer Behandlung. Mit Schreiben vom 09.09.2011 beantragte sie ausdrücklich die Übernahme der Heilkosten für Folgen ihres seinerzeitigen Arbeitsunfalls. Der Dypl.-Psych. T bescheinigte der Klägerin unter dem 07.06.2011, dass sie seit dem 07.04.2010 bei ihm in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei und bis Juni 2011 insgesamt 30 verhaltenstherapeutische Sitzungen stattgefunden hätten. Diagnostisch lägen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im Zusammenhang mit dem bewaffneten Überfall am Arbeitsplatz als Verkäuferin vor. Zugleich übersandte die Klägerin einen Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitations-Maßnahme vom 02.02.2011 bis 16.03.2011 in der H-Klinik. Hier wurde ua die Diagnose PTBS (F 43.1 ICD-10) gestellt und berichtet, die Ängste, die die Klägerin schildere, bestünden seit einem bewaffneten Überfall am Arbeitsplatz im August 2006. Die Klägerin leide zudem seit 2007 an Kniebeschwerden. Nachdem das Ausmaß der Beeinträchtigungen durch das Knie bekannt geworden sei, habe die Firma T der Klägerin aus ihrer Sicht aus vorgeschobenen Gründen im September 2007 gekündigt. Hiernach habe sie einen Zusammenbruch erlitten. Eine zusätzliche Belastung hätte die Pflege der kranken Eltern 2007/2008 dargestellt.
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis, Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten und die Akten der Staatsanwaltschaft E zum Raubüberfall vom 21.08.2006 bei. In der Anklageschrift der StA heißt es ua: "Am 21.08.2006 gegen 19:15 Uhr forderte der Angeschuldigte im Ladenlokal der Firma T auf der L Str. 00 in E die Zeugin S unter Vorhalt einer Softairpistole auf, ihm Bargeld zu geben. Die weitere Verkäuferin N1 und die Zeugin S drängte er unter Vorhalt der Waffe in die dortigen Büroräume. Die Zeugin N1 öffnete den Tresor und gab ihm Bargeld in Höhe von ca. 2.100 EUR, welches sie in die von ihm mitgeführte Tasche steckte. Anschließend forderte er von den Zeuginnen deren Geldbörsen. Die Zeugin N1 wies ihn auf ihre Geldbörse hin, die auf einem Tisch in den Verkaufsräumen lag. Er nahm diese mitsamt Bargeld in Höhe von ca. 170 EUR sowie diversen persönlichen Papieren mit."
Desweiteren holte die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. U, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik der C Kliniken C vom 13...