Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Berechnung des Arbeitslosengeldes
Orientierungssatz
1. Die Orientierung des Arbeitslosengeldes am beitragspflichtigen Einkommen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Differenzierung zwischen Arbeitslosen mit einem Kind und solchen mit mehreren Kindern bei der Bemessung des Leistungssatzes ist verfassungsrechtlich nicht geboten.
2. Die Ausrichtung der Höhe des Arbeitslosengeldes an einer Nettolohn-Ersatzquote verstößt nicht gegen das GG.
3. Bei der Gestaltung sozialer Sicherungssysteme hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Er verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 GG, wenn er die Erziehungsleistung von Eltern auf der Leistungsseite nicht berücksichtigt, obwohl sie langfristig Einfluss auf die Höhe der Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung hat.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.05.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2004 zustehenden Arbeitslosengeldes.
Der 1954 geborene Kläger ist verheiratet und Vater von drei in den Jahren 1990, 1993 und 1996 geborenen Kindern. Bis zum 31.12.2003 war er als angestellter Redakteur beschäftigt. Am 19.12.2003 meldete sich der Kläger zum 01.01.2004 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Nach der hierbei vorgelegten Arbeitsbescheinigung hatte er im Jahre 2003 die Steuerklasse III bei drei eingetragenen Kinderfreibeträgen und erzielte im Zeitraum von Januar bis einschließlich Dezember 2003 beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 33.405,- Euro.
Mit Bescheid vom 09.01.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.01.2004 Arbeitslosengeld in Höhe von 303,66 Euro wöchentlich bzw. 43,38 Euro täglich unter Zugrundelegung eines wöchentlich Bemessungsentgeltes von 640,- Euro, der Leistungsgruppe C und des erhöhten Leistungssatzes. Seinen Widerspruch hiergegen begründete der Kläger unter Hinweis darauf, dass bei der Bestimmung des Leistungssatzes lediglich ein Kind berücksichtigt werde, obwohl er drei Kindern Unterhalt schulde. Im Öffentlichen Dienst werde im Unterschied hierzu für jedes Kind ein Ortszuschlag berücksichtigt. Die Berechnungsmethode beim Arbeitslosengeld verstoße gegen Art. 3 sowie 6 des Grundgesetzes (GG).
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der am 06.08.2004 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger gerügt, sein familienbedingter Mehrbedarf werde bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht ausreichend berücksichtigt. Er sei hierdurch in seinen Grundrechten aus Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 des GG iVm dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip verletzt. Bei der Berechnung des Leistungsentgeltes würden fiktiv auch Kirchensteuer und Solidarzuschlag vom Bemessungsentgelt in Abzug gebracht. Diese Abzüge habe er als Arbeitnehmer jedoch wegen der drei zustehenden Kinderfreibeträge nicht tragen müssen. Die Bemessung seines Arbeitslosengeldes setze die verfassungswidrig zu hohe Belegung seines Erwerbseinkommens mit Sozialabgaben in allen Sozialversicherungszweigen sowie mit Steuerlasten fort. Die Beiträge zu den Zweigen der Sozialversicherung berücksichtigten unzulänglich seine durch seine Kinder eingeschränkte finanzielle Leistungsfähigkeit. Er begehre daher die Zugrundelegung eines verfassungsgemäßen Nettolohnes bei der Bemessung seines Arbeitslosengeldes sowie die Gleichbehandlung mit verheirateten, insbesondere kinderlosen und besserverdienenden Doppelverdiener-Ehepaaren. Diese profitierten überproportional von der günstigeren Progression durch den Splitting-Vorteil in der Steuerklassen-Kombination III/V. Die Steuerfreistellung des Arbeitslosengeldes führe zusätzlich zu einer erheblichen Umverteilung zugunsten der Doppelverdiener.
Er beanspruche daher ein Arbeitslosengeld in Höhe des steuerrechtlich zustehenden Existenzminimums abzüglich des jährlich zustehenden Kindergeldes in Höhe von wöchentlich 529,- Euro (32.752,- Euro steuerliches Existenzminimum abzüglich 5.544,- Euro jährlich zustehendem Kindergeld bei drei Kindern = 27.208,- Euro: 12: 30 x 7 = 529,- Euro).
Die Beklagte hat vor dem Sozialgericht ihre Bindung an das geltende Recht hervorgehoben, mit Bescheid vom 02.01.2005 die zum 01.01.2005 in Kraft getretene Neuregelung des Arbeitslosengeldbemessungsrechts umgesetzt und mit Bescheid vom 18.10.2005 die Bewilligung von Arbeitslosengeld an den Kläger mit Wirkung vom 11.10.2005 wegen Abmeldung aus dem Leistungsbezug aufgehoben.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 10.05.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Orientierung des Arbeitslosengeldes an beitragspflichtigem Einkommen sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und der Gesetzgeber sei auch verfassungsrechtlich nicht verpflichtet gewesen, die Anzahl der Kinder bei der Höhe des Arbeit...