Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit von Widerspruch und Klage gegen einen Ausführungsbescheid

 

Orientierungssatz

1. Ein Widerspruch ist ebenso wie eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG nur zulässig, wenn sie sich gegen einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB 10 richten. Eine Klage gegen Bescheide ist unzulässig soweit diese lediglich ein angenommenes Anerkenntnis, einen geschlossenen Vergleich oder eine Gerichtsentscheidung ausführen, ohne selbst eine Regelung über den bereits in dem Anerkenntnis, Vergleich oder Urteil erfolgten Entscheidungsgegenstand hinaus treffen (BSG Beschluss vom 18. 9. 2003, B 9 V 82/02 B).

2. Fehlt es den entsprechenden Bescheiden an einer eigenständigen Regelung, so ist der hiergegen erhobene Widerspruch bzw. die entsprechende Klage unzulässig.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.06.2016 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verwerfung eines Widerspruchs als unzulässig.

Bei dem am 00.00.1996 geborenen Kläger, der an einem Sturge-Weber-Syndrom leidet, wurden mit Bescheid vom 19.12.1997 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H (unter Berücksichtigung des jugendl. Alters) seit dem 22.05.1997 festgestellt.

Mit Bescheid vom 18.07.2007 stellte das Versorgungsamt L wegen einer linksseitigen Halbseitenlähmung, Feuermal, Sehbehinderung bei Sturge-Weber-Syndrom einen GdB von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens B fest, nachdem zuvor durch Bescheid vom 23.01.2006 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festgestellt worden waren.

Durch Bescheid vom 19.12.2014 stellte die Beklagte nach Einholung eines augenärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. C, der die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF bejahte und diejenigen für das Merkzeichen H verneinte, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF fest. In diesem Bescheid erfolgten nach der Begründung auch Ausführungen zu dem Ausweis: "Der Ausweis erhält folgende Einträge: GdB 100, Merkzeichen G, B, H, RF, gültig ab 18.02.2013 (Beginn-Datum der letzten aktuellen Feststellung), gültig bis 31.12.2015. Ich stelle Ihren Ausweis befristet aus, weil ich dann überprüfen werde, ob sich die maßgebenden Voraussetzungen geändert haben."

Im Januar 2015 nahm die Beklagte eine Prüfung hinsichtlich der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs H von Amts wegen vor und hob nach entsprechender Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 05.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015 den Bescheid vom 19.12.2014 hinsichtlich der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens H auf. Das sich anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Aachen (S 12 SB 456/15) endete durch ein angenommenes Anerkenntnis, in dem die Beklagte sich verpflichtete, die angefochtenen Bescheide (Bescheid vom 05.02.2015, Widerspruchsbescheid vom 06.05.2015) aufzuheben (Regelungsangebot der Beklagten vom 10.11.2015).

Durch Bescheid vom 04.12.2015 stellte die Beklagte in Ausführung des - zunächst wörtlich zitierten - Regelungsangebotes vom 10.11.2015 fest, "Ihr GdB beträgt weiterhin 100. Sie erfüllen weiterhin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, B, H, RF." Nach der Begründung erfolgten Ausführungen zum Ausweisinhalt - "Der Ausweis erhält folgende Eintragungen: - den festgestellten Grad der Behinderung von 100, - die Merkzeichen G, B, H, RF, - den Gültigkeitsbeginn 18.02.2013" - und zum Gültigkeitszeitraum - "Die Gültigkeit des Ausweises ist vom Monat der Ausstellung an bis Dezember 2016 befristet. Kurz vor Ablauf dieser Frist werde ich von Amts wegen prüfen, ob sich die maßgebenden Voraussetzungen geändert haben" -. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, der Bescheid entspreche nicht dem angenommenen Regelungsangebot, denn er weiche hinsichtlich des Gültigkeitszeitraums des Schwerbehindertenausweises von dem Bescheid vom 19.12.2014 ab. Außerdem widerspreche er dem kurzen Gültigkeitszeitraum des Ausweises. Er habe Anspruch auf eine unbefristete Verlängerung. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unzulässig zurück, da das Ergebnis des sozialgerichtlichen Verfahrens zutreffend ausgeführt worden sei.

Am 09.02.2016 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Aachen erhoben und sein Begehren weiterverfolgt.

Der (anwaltlich vertretene) Kläger hat beantragt,

den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 11.01.2016 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 28.06.2016 hat das Sozialgericht den Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 aufgehoben. Die in der mündlichen Verhandlung allein noch auf isolierte Anfech...

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