Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer isolierten Anfechtung des Widerspruchsbescheides mit einer Anfechtungsklage
Orientierungssatz
1. Die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides mit einer Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwGO zulässig, wenn und soweit dieser gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält.
2. An das Rechtschutzbedürfnis einer isolierten Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid sind besondere Anforderungen zu stellen.
3. Der Schwerbehindertenausweis kann sowohl befristet als auch unbefristet ausgestellt werden. Entsprechend § 79 Abs. 2 S. 1 und 2 VwGO ist der Widerspruchsbescheid aufzuheben, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift.
4. Eine den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig verwerfende Entscheidung beruht auf einem Verfahrensfehler, weil, analog zum Rechtschutzbedürfnis, die Möglichkeit besteht, dass das Widerspruchsverfahren bei richtiger Verfahrensweise ein anderes Ergebnis gehabt hätte.
Tenor
Der Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 wird aufgehoben.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Rechtmäßigkeit der Verwerfung eines Widerspruches als unzulässig.
Bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger wurden mit Bescheid vom 22.05.1997 die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich H festgestellt.
Über die zuletzt bei dem Kläger getroffenen Feststellungen nach § 69 Abs. 1, 4 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) war dem Kläger durch die Beklagte ein bis Ende des Jahres 2015 gültiger Schwerbehindertenausweis ausgestellt.
Am 27.01.2015 beantragte sein gesetzlicher Vertreter für den Kläger die Verlängerung des Schwerbehindertenausweises.
Mit Bescheid vom 05.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015 traf die Beklagte unter Aufhebung ihres letzten Feststellungsbescheides vom 19.12.2014, der sich zum Nachteilsausgleich H nicht verhielt, die Feststellung, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H bei dem Kläger nicht mehr vorliegen.
Im folgenden Klageverfahren beim Sozialgericht Aachen (Az. S 12 SB 456/15) wies der Kammervorsitzende darauf hin, dass der Bescheid vom 19.12.2014 keine Feststellungen zum Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H treffe, der angefochtene- insoweit den falschen Bescheid aufhebe. Am 12.11.2015 gab die Beklagte daraufhin ein Anerkenntnis ab. Sie verpflichtete sich, den Bescheid vom 05.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015 aufzuheben. Dieses Anerkenntnis nahm der Kläger über seinen damaligen Bevollmächtigten zur Erledigung des Rechtsstreites am 19.11.2015 an.
Zur Ausführung des Anerkenntnisses erließ die Beklagte den Bescheid vom 04.12.2015, mit dem sie feststellte, der Grad der Behinderung des Klägers betrage weiterhin 100. Er erfülle weiterhin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, B, H, RF. Unter der Überschrift "Gründe" nahm die Beklagte auf das vorangegangene Streitverfahren Bezug. Es folgte die Überschrift "Ausweis" unter der die Beklagte ausführte: "Die Feststellung, die ich mit diesem Bescheid getroffen habe können sie mit einem Schwerbehindertenausweis nachweisen. Der Ausweis berechtigt sie zusammen mit einem entsprechenden Beiblatt, die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ohne Kostenbeteiligung und die Kfz-Steuerbefreiung zu beanspruchen. Zum "Ausweisinhalt" hieß es: "Der Ausweis enthält folgende Eintragungen:" ( ). Unter der Kopfzeile "Gültigkeitszeitraum" legte die Beklagte schließlich dar: "Die Gültigkeit des Ausweises ist vom Monat der Ausstellung an bis Dezember 2016 befristet. Kurz vor Ablauf dieser Frist werde ich von Amts wegen prüfen, ob sich die maßgebenden Voraussetzungen geändert haben." Auf Antrag hin werde eine zusätzliche Bescheinigung ausgestellt. ( ) Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu einem Widerspruch versehen, der der Hinweis angefügt war, dass der Widerspruch nur insoweit zulässig sei, als die Beklagte selbstständig entschieden und nicht nur die gerichtliche Entscheidung wiederholt habe. Dem Bescheid beigefügt war ein Begleitschreiben, das den Kläger darüber unterrichtete, dass die Zusendung des Schwerbehindertenausweises durch einen externen Dienstleister erfolge, den man am Tag des Bescheiderlasses mit der Herstellung des Ausweises beauftragt habe.
Dieser Ausweis ging dem gesetzlichen Vertreter des Klägers am 14.12.2015 zu, der daraufhin eine bereits im August 2015 erhobene Untätigkeitsklage (Az. S 12 SB 634/15) in Bezug auf die Bescheidung seines Antrages vom 27.01.2015 auf Verlängerung des Schwerbehindertenausweises für erledigt erklärte.
Gegen den Bescheid vom 04.12.2015 legte der gesetzliche Vertreter des Klägers am 16.12.2015 Widersp...