Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietvertrag unter Familienangehörigen bzw Verwandten. ernsthafte und wirksame Zahlungsverpflichtung aus dem Mietvertrag. Scheingeschäft

 

Orientierungssatz

Die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB 2 setzt ua voraus, dass der Hilfebedürftige als Mieter einer wirksamen Zahlungsverpflichtung aus einem Mietvertrag ausgesetzt ist. Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen vorliegt, oder ob es sich um ein Scheingeschäft handelt, beurteilt sich nach den tatrichterlichen Feststellungen der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dabei kann nicht schematisch auf die jeweiligen Elemente eines "Fremdvergleichs" zurückgegriffen werden. Wie sonst unter Dritten auch, muss aber der Leistungsberechtigte einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt sein. Diesbezüglich kommt es auf die Glaubwürdigkeit der vorgetragenen Tatsachen und die feststellbaren Indizien an.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.09.2022; Aktenzeichen B 7/14 AS 383/21 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 13.07.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln, das die Klage auf Unterkunfts- und Heizbedarfe für August 2015 bis Januar 2016 abgewiesen hat.

Der am 00.00.1988 geborene Kläger beantragte erstmalig am 05.02.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab an, dass er seit dem 04.12.2014 erkrankt sei. Sein früherer Arbeitgeber habe ihn von der Krankenkasse abgemeldet und er würde weder Erwerbseinkommen noch Krankengeld beziehen. Eine schriftliche Kündigung bestehe nicht, jedoch weigere sich der Arbeitgeber Gehalt auszuzahlen. Er lebe allein in einer Mietwohnung.

Am 16.02.2015 legte der Kläger einen ausgefüllten Hauptantragsbogen nebst "Anlage KDU" und Vermieterbescheinigung vor. Er gab darin an, dass er alleine in einer 55 m² großen 3-Zimmer-Wohnung in der I-Straße 00, Löhne lebe. Die Gesamtmiete betrage 440 EUR (320 EUR Grundmiete, 70 EUR Betriebskosten [davon 30 EUR Wasser- und 40 EUR Stromkosten], 50 EUR Heizkosten). Die Warmwasseraufbereitung erfolge über Gas. Mietrückstände wurden keine angegeben. Vermieterin der Wohnung sei seine Mutter, die Zeugin S F.

Am 04.03.2015 legte der Kläger eine Ummeldungsbescheinigung vom 07.11.2014 vor, wonach er am 07.11.2014 von seiner früheren Wohnung J-Straße 5, Löhne in seine aktuelle Wohnung in der I-Straße umgezogen sei. Die Fallmanagerin des Klägers notierte auf diese Bescheinigung: "Letzte bekannte Anschrift der Mutter war ebenfalls "J-Straße 5". Nun "Mietvertrag" mit Mutter f. neue Unterkunft geschlossen." Daneben legte der Kläger eine Kopie des Mietvertrags zwischen ihm und seiner Mutter vom 02.11.2014 vor, wonach die Miete bar bezahlt werde. Das Datum vor dem Unterschriftfeld des Mietvertrags ist überschrieben. Es ist zu erkennen, dass das ursprüngliche Datum "3....15" mit "02.11.‚14" überschrieben wurde. Die Fallmanagerin des Klägers notierte: "unklar, ob Mietverhältnis tatsächlich umgesetzt wird. Mietzahlungen auf Konten nicht ersichtlich."

Mit vorläufigem Bescheid vom 23.03.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für Februar bis Juli 2015 in Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende von damals monatlich 399 EUR. Unterkunftskosten könnten zunächst nicht anerkannt werden, da keine Mietzahlungen aus den Kontoauszügen hervorgingen.

Mit Schreiben vom 04.04.2015 wandte sich die Zeugin F an den Beklagten und teilte mit, dass sie seit dem "01.01.2015" von dem Kläger eine monatliche Miete von "320,00 EUR" fordere. Es sei vereinbart gewesen, dass die Miete bar gegen Quittung gezahlt werde.

Mit Bescheid vom 30.04.2015 setzte der Beklagte die Leistungen an den Kläger für Februar bis Juli 2015 endgültig mit 399 EUR fest. Die Übernahme von Kosten der Unterkunft werde abgelehnt. Ein tatsächlicher Mietvertrag mit Bindungswillen sei nicht nachgewiesen. Die Angaben im Mietvertrag (Mietbeginn 02.11.2014) und dem Schreiben der Zeugin F (Mietzahlung ab 01.01.2015) seien widersprüchlich. Hiergegen legte der Kläger am 27.05.2015 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2016 als unbegründet zurückwies. Dagegen legte der Kläger fristgerecht beim Sozialgericht Detmold Klage ein (S 12 AS 372/16).

Mit Bescheid vom 01.07.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger monatlich 399 EUR. Hiergegen legte der Kläger am 30.07.2015 Widerspruch ein. Es sei zwischen ihm und seiner Mutter vereinbart gewesen, dass die Mieten für November und Dezember 2014 wegen Renovierungsarbeiten erlassen werden, sodass die Mietzahlungen erst zum Januar 2015 fällig geworden seien. Die Mutter habe die Mietzahlungen bisher gestundet, mahne nunmehr aber mit Schreiben vom 04.11.2015 einen Mietrückstand von 3.520 EUR an.

Mit bestandskräftigem...

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