nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung. Versicherungspflicht. Syndicusanwalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 6 SGB VI stellt eine Ausnahmevorschrift dar und ist einer erweiternden Auslegung im Wege der Analogie nicht zugänglich (siehe auch LSG NW, Urteil vom 16.07.2001, L 3 RA 73/00; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 09.10.2002, L 8 RA 48/01).

2. Die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI ist nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen. Sie erfolgt nur wegen der jeweilige Beschäftigung, aufgrund derer eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung besteht (siehe auch BSG, Urteil vom 22.10.1998, B 5/4 80/97 R, SozR 3-2600 § 56 Nr. 12) und setzt einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Berufsangehörigen, für die Versicherungsbefreiung in Anspruch genommen wird und dem Versorgungsschutz durch die berufsständischen Versorgungseinrichtung voraus.

3. Ein Syndicusanwalt übt zwei Berufe aus: den eines selbständigen Rechtsanwaltes und den eines Angestellten in einem Unternehmen. Bei diesen beiden Berufen handelt es sich um zwei von einander zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten, die von einander unabhängig sind. Deshalb sind die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI für die beiden Tätigkeiten jeweils getrennt zu prüfen. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Angestellter ist der Syndicusanwalt nicht anwaltlich tätig und hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI.

4. Die Verpflichtung des Klägers für seine Tätigkeit als angestellter Jurist Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und für seine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt Beiträge zu einem berufsständischen Versorgungswerk zu entrichten, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BRAO § 46; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Köln (Entscheidung vom 16.12.2002; Aktenzeichen S 25 RA 17/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.12.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.

Der 1956 geborene Kläger ist seit dem 01.01.1990 als Jurist in der Hauptverwaltung der H Versicherung AG (Beigeladene zu 1) angestellt. Nach Angaben der Beigeladenen zu 1) unterstützt der Kläger als "Abteilungsjurist" die in der Abteilung Haftpflicht/ Antrag tätigen Betriebswirte und Versicherungskaufleute in juristischen Grundsatzfragestellungen. Auf die Angaben der Beigeladenen zu 1) zur Tätigkeit des Klägers im Schreiben vom 02.07.2002 wird Bezug genommen. Aufgrund dieser Beschäftigung ist der Kläger bei der Beklagten pflichtversichert.

Nach Erteilung einer Einwilligung der Beigeladenen zu 1) wurde der Kläger am 30.08.1999 als Rechtsanwalt i. S. v. § 46 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zugelassen. Der Kläger erzielte 1999 Umsatzerlöse in Höhe von 696,00 DM, 2000 von 9.3222,05 DM, 2001 von 7.596,42 DM und 2002 von 5.860,70 DM. Mit der Zulassung wurde der Kläger Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer L und im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Nordrhein-Westfalen (Beigeladene zu 2). Nach der Satzung der Beigeladenen zu 2) ist jedes Mitglied verpflichtet, den Regelpflichtbeitrag, berechnet nach der Höhe des Einkommens und der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, zu entrichten (§ 30 Abs. 1 und 2). Auf Antrag wird die Beitragspflicht auf die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit beschränkt, wenn das Mitglied als abhängig Beschäftigter Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet (§ 30 Abs. 7), wobei das Mitglied mindestens den Mindestbeitrag (1/10 des Regelpflichtbeitrages) zu leisten hat (§ 30 Abs. 7 S. 3, Abs. 3). Der Kläger zahlt den Mindestbeitrag an die Beigeladene zu 2). Der Mindestbeitrag beläuft sich im Geschäftsjahr 2004 auf 100,43 EUR.

Im Mai 2001 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen zu 2) die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, da er bei der Beigeladenen zu 1) berufsspezifisch als Syndicusanwalt in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt sei. Unter Punkt 4 des Antragsvordruckes bestätigte die Beigeladene zu 1) nicht, dass der Kläger in ihrem Unternehmen als Rechtsanwalt beschäftigt ist, sondern gab an, dass "Herr Rechtsanwalt T als Jurist i.S.d. § 46 BRAO in der Abteilung Haftpflicht Industrie tätig ist". Nach Eingang des Befreiungsantrages wies die Beklagte den Kläger daraufhin, dass die Befreiungsberechtigung wegen einer Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) regelmäßig nur aus einer Beschäftigung als angestellter Anwalt hergeleitet werde könne. Eine anwaltliche Tätigkeit im An...

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