Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldumlage. Eigentumsgarantie. Berufsfreiheit. Allgemeine Handlungsfreiheit. Gleichbehandlung. Gestaltungsfreiheit
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelungen über die Erhebung einer Umlage zum Insolvenzgeld (§§ 358 ff. SGB III) verstoßen weder gegen Verfassungsrecht noch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; SGB III §§ 358-360
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch im zweiten Rechtszug die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Verwaltungsakt der Beklagten über die Insolvenzgeldumlage für das Jahr 2002 verfassungs- und europarechtskonform ist.
Der Kläger ist in das Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen und nimmt als Bundesverband die Gesamtinteressen von rund 430 Theatern und Kulturorchestern wahr, thematisiert künstlerische, organisatorische sowie kulturpolitische Fragen und schließt als Arbeitgeberverband für das künstlerische Personal seiner Mitglieder Tarifverträge ab. Ab dem 01. Januar 2001 veranlagte die Beklagte den Kläger mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Juni 2001 zur Gefahrtarifstelle 16 (Unternehmensart: Kammer, Verband, Organisation) mit der Gefahrklasse 0,54. Mit Bescheid vom 23. April 2003 setzte die Beklagte den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Beitragsjahr 2002 auf 1.937,39 EUR, den Anteil am Lastenausgleich für die gewerblichen Berufsgenossenschaften (BGen) auf 704,82 EUR und den Anteil an der Insolvenzgeld-Umlage auf 3.843,35 EUR fest. Die Berechnung der Insolvenzgeldumlage erläuterte sie in der Anlage zum Beitragsbescheid.
Dagegen erhob der Kläger am 05. Mai 2003 Widerspruch, weil sich die Insolvenzgeldumlage innerhalb eines Jahres verdoppelt habe. Dies verstoße gegen die Eigentumsgarantie in Art. 14 des Grundgesetzes (GG). Offenkundig seien die Insolvenzrisiken in der Vergangenheit fehlerhaft eingeschätzt worden. Dies habe zur Folge, dass zahlungskräftige Unternehmen die Insolvenzrisiken zahlungsunfähiger Konkurrenzunternehmen tragen müssten. Zudem bestünden erhebliche Zweifel, ob das Versicherungsmonopol der gesetzlichen Unfallversicherungsträger mit dem Recht der Europäischen Union (EU-Recht) vereinbar sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Berufsgenossenschaften (BGen) seien keine Unternehmen im Sinne des Europäischen Wettbewerbsrechts. Dies habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits für das italienische Unfallversicherungssystem entschieden, das mit der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland vergleichbar sei. Die Insolvenzgeldumlage verstoße nicht gegen Art. 14 GG, weil sie die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung im Interesse aller erhalte und verbessere. Entgegen den Prognosen des Bundesfinanzministeriums und des Statistischen Bundesamtes sei das Insolvenzgeld 2002 gegenüber dem Vorjahr um 40,6% gestiegen, was nicht voraussehbar gewesen sei. Dieser Anstieg habe zu einer Finanzierungslücke geführt, die mit der erhöhten Insolvenzgeldumlage nachträglich geschlossen worden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 08. Januar 2004 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und geltend gemacht, die Insolvenzgeldumlage greife verfassungswidrig in den Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) ein. Sie steige mit der Zahl der Insolvenzen, womit ein Teufelkreis beginne, der auch gesunde Unternehmen finanziell gefährde. Es widerspreche dem Versicherungsprinzip, dass gerade die insolventen Unternehmen, die für die Erhöhung der Umlage verantwortlich seien, hierzu aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit nicht mehr herangezogen würden. Die Insolvenzgeldumlage sei daher kein Versicherungsbeitrag, sondern eine besondere sozialrechtliche Abgabe, die den hohen Rechtfertigungsansprüchen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht genüge. Zudem sei der Beitragsbescheid völlig intransparent. Denn es sei unerklärlich, warum sich der Beitragsfuß der Insolvenzgeldumlage für das Kalenderjahr 2002 auf 4,7670 EUR verdoppelt und im Folgejahr wieder auf 2.3191 EUR halbiert habe.
Die Beklagte hat hierzu erläutert, sie habe ausgehend von den Vorschussraten für das Jahr 2003 i.H.v. 355 Mio. EUR, der ersten Vorschussrate von 90 Mio. EUR für 2004 und den Abschlusszahlungen für 2002 i.H.v. 28,62 Mio. EUR einen Finanzierungsbedarf i.H.v. 473,62 Mio. EUR bis zur nächsten Erhebung der Insolvenzgeldumlage im Frühjahr 2004 ermittelt. Unter Zugrundelegung eines vorläufigen Umlagesolls von 330,66 Mio. EUR und einer Unterdeckung im Vorjahr von 38,35 Mio. EUR habe sich ein Betriebsmittelbedarf von 181,31 Mio. EUR und ein Insolvenzgeldumlagesoll i.H.v. 511,97 Mio. EUR ergeben. Die Insolvenzen seien 2002 um mehr als 71% gestiegen, was nicht voraussehbar gewesen sei.
Mit Urteil vom 24. Februa...