Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Zulassungsentziehung nach Abrechnungsbetrug mit Zahnersatz. Schadensersatzanspruch der Krankenkasse. Verjährung. Rechtsweg
Orientierungssatz
1. Zur Frage des Schadensersatzanspruches einer gesetzlichen Krankenkasse gegen einen Vertragszahnarzt nach einer Entziehung der Zulassung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Betrugs im Zusammenhang mit dem Erhalt sog "Kickback-Zahlungen" bei Zahnersatz.
2. Zur Frage der Hemmung der Verjährung, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben.
3. Bei einem Rechtsstreit um diesen Schadensersatz handelt es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts (§ 31 Abs 2 SGG).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.02.2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, begehrt von dem Beklagten Schadensersatz.
Der 1953 geborene Beklagte wurde 1989 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen und war in E als Vertragszahnarzt tätig.
Das Landgericht (LG) E verurteilte ihn wegen Betruges in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Urteil vom 30.08.2005 - 000 -). Im anschließenden Revisionsverfahren wurde das Verfahren in fünf Fällen eingestellt; im Übrigen änderte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil des LG dahingehend ab, dass der Beklagte in 36 Fällen des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges schuldig gesprochen wurde (Urteil vom 16.11.2006 - 000-).
Der Zulassungsausschuss für Zahnärzte für den Bezirk Nordrhein entzog dem Beklagten mit Beschluss vom 15.03.2004 die vertragszahnärztliche Zulassung; der Berufungsausschuss bestätigte diese Maßnahme mit Beschluss vom 09.11.2004. Die von dem Beklagten eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts (SG) E vom 20.11.2007 - S 19 KA 3/05 -; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 28.05.2008 - L 11 KA 16/08 -; Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.11.2008 - B 6 KA 59/08 B -).
Hintergrund dieser Verfahren war: Der Beklagte hatte für seine Praxis von der Fa. H / O-E Handelsgesellschaft mbH (Fa. H) in den Jahren 1999 bis 2002 Zahnersatz bezogen. Diese Firma ließ Zahnersatz im Ausland, überwiegend in Asien, fertigen, in dem die Herstellungskosten weit unter deutschem Niveau lagen. Die Fa. H stellte den Vertragszahnärzten die Leistungen entsprechend den in Deutschland üblichen Preisen in Rechnung, die diese dann zu diesen Preisen u.a. über die Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein (KZV-No) abrechneten. Zwischen den jeweiligen Vertragszahnärzten und der Fa. H kam ein von dieser entwickeltes Rabattsystem zur Anwendung, nach dem die Vertragszahnärzte von der Fa. H entsprechend derer Tarifbedingungen Rabattzahlungen, sog. "Kickback-Zahlungen", in Höhe von (i.H.v.) bis zu 30 % erhielten, die sich u.a. aus der Differenz zwischen tatsächlichen Herstellungskosten und abgerechneten Kosten berechneten. Die Rückerstattungen an die Vertragszahnärzte, die diese für sich einbehielten, erfolgten in der Regel per Post oder in Form von Barzahlung durch Mitarbeiter von der Fa. H.
Im Rahmen der gegen die Mitarbeiter der Fa. H geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (Staatsanwaltschaft X - 000 -) wurde u.a. eine Datenbank sichergestellt, nach der auch der Beklagte Rabattzahlungen von der Fa. H erhalten hatte. Dies bestätigte u.a. der Geschäftsführer der Fa. H, P bei seiner Aussage vor dem Amtsgericht (AG) F (- 000-) am 22.10.2003. Er gab an, dass an den Beklagten bis April 2002 Rabatte i.H.v. 191.535,00 EUR ausgezahlt worden seien. Nach der von ihm überreichten Aufstellung wurden an den Beklagten in der Zeit von Juni 1999 bis April 2002 durchschnittlich ca. 5.500,00 EUR je Monat gezahlt. Der Beklagte bestätigte u.a. bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht X - 000 - am 23.09.2003 und bei der Vernehmung vor der Kreispolizeibehörde F vom 29.10.2003 den Erhalt von "Kickback-Zahlungen".
Aufgrund dieser Vorgänge berühmt sich die Klägerin eigener Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten: Die KZV-No habe für den Beklagten einen Gesamt-Kickback i.H.v. 132.761,00 EUR ermittelt, von dem ein Anteil i.H.v. 36.908,75 EUR auf sie, die Klägerin, entfalle. Dieser Anteil sei von der KZV-No eingezogen und an sie ausgezahlt worden. Ihr sei jedoch ein weitergehender, über die KZV-No nicht ausgeglichener Schaden entstanden, nämlich der auf die bei der Fa. H handelnden Personen entfallende "Gewinnanteil", der sich einschließlich eines bis zum 31.03.2006 entstandenen Zinsschadens auf 53.533,13 EUR belaufe.
Mit Schreiben vom 27.04.2006 und 23.05.2006 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung dieses Schadensbetrages auf. Unter dem 01.06.2006 ...