Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Regelaltersrente bei Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens an den Ehegatten

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Regelaltersrente aus der Alterssicherung der Landwirte setzt voraus, dass das landwirtschaftliche Unternehmen abgegeben ist. Das ist auch dann der Fall, wenn der Flächenwert des nicht abgegebenen Teils 25 % der festgelegten Mindestgröße nicht überschreitet. Wird das Unternehmen an den Ehegatten abgegeben, kann dies wirksam nur nach Maßgabe des § 21 Abs. 9 ALG erfolgen. Diese Abgabefiktion gilt nur, bis auch der übernehmende Ehegatte die Regelaltersrente erreicht hat oder erwerbsgemindert ist. Spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres entfällt die Abgabefiktion.

2. Hat der landwirtschaftliche Unternehmer die Abgabe an den Ehegatten nicht vollzogen, bevor dieser die gesetzlich geregelte Altersgrenze erreicht hat, so kommt es darauf, ob die Beschränkung der Abgabe auf solche Ehegatten, die bei Abgabe das 55. Lebensjahr vollendet haben, vor dem Gleichheitssatz Bestand hat, nicht an. Im Übrigen begegnet die Koppelung des Fortbestandes des Rentenanspruchs des abgebenden Landwirts an die spätere Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens durch den übernehmenden Ehegatten zum Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersrente und die Regelungen des § 21 Abs. 9 ALG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.11.2018; Aktenzeichen 1 BvR 408/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 14.4.2011 wird zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 28.6.2011 abgewiesen, soweit der Kläger die Regelaltersrente über den mit dem Bescheid vom 28.6.2011 zuerkannten Zeitraum vom 1.7.2011 bis 31.1.2022 hinaus begehrt.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger die Gewährung einer Regelaltersrente (RAR) bereits ab dem 1.3.2010 statt ab dem 1.7.2011 sowie unbefristet statt befristet bis zum 31.1.2022 beanspruchen kann.

Der am 00.00.1942 geborene Kläger betrieb bis zum 30.6.2011 ein landwirtschaftliches Unternehmen. Er ist verheiratet. Seine Ehefrau ist im April 1956 geboren. Der Kläger war seit dem 1.8.1969 Pflichtmitglied bei der Beklagten. Der Kläger bewirtschaftete 129,96 ha landwirtschaftliche und 5,54 ha forstwirtschaftliche Nutzfläche. Mit Wirkung ab dem 1.7.2011 verpachtete er die in seinem Eigentum stehenden land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen an seine Ehefrau. Zum gleichen Zeitpunkt trat sie in die Zupachtungen des Klägers ein.

Am 10.3.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten RAR. Er gab an, er wolle seinen Betrieb an seine Ehefrau abgeben, was aber noch nicht möglich sei, da diese erst im nächsten Jahr das 55. Lebensjahr vollende. Er halte dies für ungerecht, da andere, die nicht verheiratet seien, an ihre Lebensgefährtinnen verpachten könnten. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen nicht gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 21 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) abgegeben habe (Bescheid v. 8.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 28.10.2010).

Der Kläger hat am 16.11.2010 zum Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben und vorgetragen, das Erfordernis der Unternehmensabgabe sei verfassungswidrig.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8.7.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 zu verurteilen, ihm eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid v. 14.4.2011 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Nach Zustellung des Gerichtsbescheides am 20.4.2011 hat der Kläger beim SG am 19.5.2011 die Zulassung der Sprungrevision beantragt, die mit Beschluss des SG vom 28.7.2011 versagt worden ist. Nach der Zustellung dieses Beschlusses an den Kläger am 3.8.2011 hat dieser am 9.8.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, eine frühere Hofabgabe an seine Ehefrau sei nicht möglich gewesen. Er habe auch keine Kinder, denen er den Hof mit 65 Jahren hätte übergeben können. Zwar gebe es einen potentiellen Hoferben. Dieser sei allerdings gegenwärtig erst 15 Jahre alt. Er wäre durch das Erfordernis der Unternehmensabgabe also praktisch gezwungen gewesen, seinen auf dem neuesten Stand der Technik befindlichen Betrieb zu verpachten und dann die landwirtschaftlichen Investitionen abschreiben zu müssen, wodurch er einen erheblichen Verlust erlitten hätte. Insoweit bestehe eine erhebliche Ungleichbehandlung zwischen Landwirten mit und ohne Kinder. Der Kläger hält das Erfordernis der Unternehmensabgabe auch im Übrigen für verfassungswidrig. Das damit verfolgte Ziel strukturpolitischer Veränderungen lasse sich angesichts der hohen Zahl von...

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