Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens als Voraussetzung der Regelaltersrente

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Regelaltersrente aus der Alterssicherung der Landwirte setzt voraus, dass das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Das ist dann der Fall, wenn der Flächenwert des nicht abgegebenen Teils 25 % der von der landwirtschaftlichen Alterskasse festgelegten Mindestgröße nicht überschreitet. Bewirtschaftet er weiterhin landwirtschaftliche Flächen in einer den zulässigen Rückbehalt übersteigenden Höhe, so ist die Gewährung von Regelaltersrente ausgeschlossen.

2. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Die Verbesserung der Agrarstruktur gehört zu den legitimen Staatsaufgaben. Diese Ziele darf der Gesetzgeber auch im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben der Sozialversicherung verfolgen. Die Legitimation ergibt sich aus dem Umstand, dass unverändert die Bundeszuschüsse an die Alterssicherung der Landwirte mehr als 70 % der Gesamtausgaben betragen.

3. Das Abgabeerfordernis als gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung der Regelaltersrente besteht seit 1957. Seitdem kann sich jeder pflichtversicherte Landwirt von Beginn seiner Tätigkeit an darauf einstellen, dass der Bezug einer Altersrente die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens voraussetzt.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.11.2018; Aktenzeichen 1 BvR 415/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 14.4.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Regelaltersrente (RAR).

Der am 00.00.1936 geborene Kläger ist landwirtschaftlicher Unternehmer. Als Einzellandwirt bewirtschaftet er ein Unternehmen mit einer Größe von 35 bis 38 ha. Darüber hinaus betreibt die T KG, deren persönlich haftender Gesellschafter er ist, ein landwirtschaftliches Unternehmen mit einer Größe von 43 bis 46 ha. Beide Unternehmen zusammen verfügen über eine landwirtschaftliche Nutzfläche von mindestens 82 ha. Der Kläger ist Pflichtmitglied bei der Beklagten.

Ein erster Antrag des Klägers auf die Gewährung von RAR wurde von der Beklagten mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 4.9.2001 abgelehnt. Am 24.3.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut RAR. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen nicht gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 21 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) abgegeben habe (Bescheid v. 27.4.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 28.9.2010).

Der Kläger hat am 12.10.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben und vorgetragen, das Erfordernis der Unternehmensabgabe sei verfassungswidrig.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.4.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.9.2010 zu verurteilen, ihm eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid v. 14.4.2011). Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Auf den ihm am 20.4.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.5.2011 die Zulassung der Sprungrevision bei dem SG beantragt, welche das SG mit Beschluss vom 28.7.2011 versagt hat, da es der Angelegenheit insbesondere im Hinblick auf die vorliegende bundes- und verfassungsgerichtliche Rechtsprechung keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) beimessen konnte. Nach Zustellung des Beschlusses am 3.8.2011 hat der Kläger am 9.8.2011 gegen den Gerichtsbescheid vom 14.4.2011 Berufung eingelegt. Er hält das Erfordernis der Unternehmensabgabe für verfassungswidrig. Das damit verfolgte Ziel strukturpolitischer Veränderungen lasse sich angesichts der hohen Zahl von Nebenerwerbslandwirten und sog. "Scheinabgaben" nicht mehr erreichen. Die Verpflichtung zur Hofabgabe beeinträchtige ihn unangemessen in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), wenn der Landwirt gezwungen werde, Pflichtmitglied der Alterskasse zu werden, die Alterssicherung dann jedoch nur als eine Teilsicherung ausgestaltet sei. Ergänzend überreicht der Kläger eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zu Fragen zur Hofabgabeklausel im ALG.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 14.4.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.4.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.9.2010 zu verurteilen, dem Kläger eine Regelaltersrente ab dem 1.3.2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid des SG für richtig und weist darauf hin, dass die Verfassungsmäßi...

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