Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes. Anästhesist. Prüfung des Fortführungswillens und der Versorgungskontinuität. keine Bevorzugung von Bewerbern mit abgeschlossenem Praxisübernahmevertrag
Orientierungssatz
1. Nur wenn der verstorbene Arzt die vertragsärztlichen Leistungen hauptsächlich in seinen Praxisräumen mit den dort vorhandenen personellen und sachlichen Mitteln erbracht haben sollte, kann es bei der Prüfung des Praxisfortführungswillens der Bewerber (voll gerichtlich überprüfbare Anspruchsvoraussetzung) und der Versorgungskontinuität (Kriterium im Rahmen der Ermessensauswahlentscheidung) darauf ankommen, ob und inwieweit die Nachfolgebewerber den Willen haben, in den dortigen Praxisräumen mit den dort vorgehaltenen Mitteln den Patientenstamm des verstorbenen Vertragsarztes weiter zu versorgen.
2. Bewerber mit abgeschlossenem Praxisübernahmevertrag dürfen bei der Auswahlentscheidung nicht bevorzugt werden.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.11.2016 abgeändert und der Beklagte unter Aufhebung des Beschlusses vom 08.10.2014 verpflichtet, die Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes.
Der Facharzt für Anästhesiologie Dr. E war für den Vertragsarztsitz W Straße 00 in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verstarb am 00.00.2014. Unter dem 04.02.2014 beantragte die Beigeladene zu 9) als seine Erbin die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes. Der Zulassungsausschuss für Ärzte L beschloss ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen (Bescheid vom 19.03.2014). Auf die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes mit einer Bewerbungsfrist bis zum 31.03.2014 (Seite 00 Rheinisches Ärzteblatt, veröffentlicht am xxx, Ausgabe 0/00) bewarben sich die Klägerin, der Beigeladene zu 8) sowie der Facharzt für Anästhesiologie Dr. C.
Die am 00.00.1958 geborene Klägerin ist Fachärztin für Anästhesiologie mit Zusatzbezeichnungen "Spezielle Schmerztherapie" und "Notfallmedizin". Ihr wurde am 17.09.1993 die Approbation und am 24.04.1996 die Facharztanerkennung erteilt. Anschließend war sie in Vollzeit als angestellte Ärztin in Krankenhäusern tätig, von 2003 bis 2008 in der Position einer Oberärztin und im Jahr 2008 als Chefärztin. Seit 2009 ist sie freiberuflich als Fachärztin für Anästhesiologie tätig, auch als Honorarärztin in Krankenhäusern. Sie betreibt seit 2013 eine Privatpraxis. Am 15.04.2014 wurde sie in die Warteliste der Beigeladenen zu 7) eingetragen.
Die Approbation des am 00.00.1979 geborenen Beigeladenen zu 8) erfolgte am 17.12.2007; er ist seit dem 22.05.2013 als Facharzt für Anästhesiologie anerkannt und führt die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. Am 15.10.2013 wurde er in die Warteliste der Beigeladenen zu 7) eingetragen.
Dem am 00.00.1949 geborenen Dr. C wurde am 12.11.1981 die Approbation erteilt; am 20.03.1986 folgte die Facharztanerkennung. Seit dem 28.04.2014 ist er in die Warteliste der Beigeladenen zu 7) eingetragen. Dr. C hatte die streitbefangene Praxis vor ca. 26 Jahren gegründet und zum 02.01.2011 an Dr. E veräußert. Nach dessen Tod führte er sie zunächst vertretungsweise fort.
Durch Beschluss vom 21.05.2014 ließ der Zulassungsausschuss den Beigeladenen zu 8) als Nachfolger von Dr. E mit Wirkung zum 01.07.2014 zur vertragsärztlichen Versorgung zu und lehnte die Anträge der Klägerin und von Dr. C ab. Alle Bewerber erfüllten die gesetzlichen Auswahlkriterien in gleicher Weise, so dass letztlich entscheidend sei, wie lange die Bewerber in die Warteliste eingetragen gewesen seien. Hier könne der Beigeladene zu 8) die längste Eintragungsdauer vorweisen. Hinzu komme, dass er prognostisch eine deutlich längere Gewähr für die andauernde und kontinuierliche Patientenversorgung biete.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und trug vor: Der Zulassungsausschuss habe ermessensfehlerhaft dem Antrag des Beigeladenen zu 8) entsprochen. So erfülle sie das Kriterium der "beruflichen Eignung" in größerem Maße als der Beigeladene zu 8), denn sie sei nicht nur Fachärztin für Anästhesiologie, sondern verfüge auch über die Zusatzqualifikationen spezielle Schmerztherapie und Notfallmedizin, die auch der verstorbene Praxisvorgänger innegehabt habe. Sie sei zudem deutlich über 14 Jahre früher approbiert als der Beigeladene zu 8). Bezüglich der "Dauer der ärztlichen Tätigkeit" nehme das Bundessozialgericht (BSG) zwar in der Regel bei mehr als fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit an, dass aus einer noch längeren Tätigkeitsdauer kein höherer Erfahrungsgrad abgeleitet werden könne. Das sei hier jedoch anders, da sie durch spezielle Hospitationen (Kinderklinik, Uniklinik Schmerztherapie, Lungenklinik) und ihren beruflichen Aufstieg (mehrjährige Erfahrung als leitende Oberärztin sowie Chefärztin) eine höhere Qualif...