Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Wegfall der Fortwirkung. Arbeitnehmereigenschaft bei unfreiwilliger bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Tätigkeit. kein Arbeitnehmerstatus während der Teilnahme an einer geförderten Weiterbildungsmaßnahme. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität
Orientierungssatz
1. Die Fortgeltung des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers im Inland aufgrund einer Arbeitnehmereigenschaft ist bei Eintritt unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung zulässiger Weise gem § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU 2004 auf sechs Monate beschränkt, auch wenn der Unionsbürger an einer von der BA geförderten Weiterbildungsmaßnahme teilnimmt, und führt nach Ablauf der 6 Monate zum Leistungsausschluss gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst b SGB 2.
2. Die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 sind europarechtskonform.
3. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 betreffend den Ausschluss von Unionsbürger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 2 ist verfassungsgemäß.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 15.05.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.06.2017 bis 20.06.2017.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin besitzt die niederländische Staatsangehörigkeit. Seit dem 07.07.2015 war sie zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn bei dem Unternehmen Q sozialversicherungspflichtig in Vollzeit beschäftigt. Einsatzort war N. Die Beschäftigung dauerte vom 07.07.2015 bis zum 30.04.2016 und endete durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers. Im Dezember 2015 zog die Klägerin mit ihrem Ehemann und Sohn in die Bundesrepublik Deutschland um. Anschließend trennte sich das Ehepaar.
Der Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 04.07.2016 für die Zeit vom 01.06.2016 bis 31.10.2016 vorläufig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Klägerin nahm in der Zeit vom 10.10.2016 bis 20.01.2017, verlängert bis zum 16.03.2017, an einer vom Beklagten geförderten Weiterbildung zur Wach- und Sicherheitsfrau teil. Die Prüfung sowie die beiden Wiederholungsprüfungen betreffend der Sachkundenachweise gemäß § 34 GewO bestand sie nicht.
Einen Antrag der Klägerin auf Weiterbewilligung der Leistungen ab November 2016 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2016 ab. Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Duisburg eingeleiteten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 49 AS 4663/16 ER) wurde die Stadt P als Beigeladene mit Beschluss vom 28.11.2016 verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2016 längstens für 6 Monate Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII in Form des jeweiligen Regelsatzes zu gewähren. Die Stadt P leistete den Regelbedarf von November 2016 bis April 2017.
Die Stadt P lehnte den Antrag der Klägerin vom 16.11.2016 auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen mit Bescheid vom 27.01.2017 ab. Die Klägerin könne sich nicht auf einen Anspruch aus § 23 SGB XII und dem Europäischen Fürsorgeabkommen berufen, da sie nicht über ein materielles Freizügigkeitsrecht verfüge. Das Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU bestehe nicht, da sich die Klägerin nicht um Arbeit bemüht habe. Die Teilnahme an einem Lehrgang reiche hierfür nicht aus. Die Klägerin werde auf die Möglichkeit der Beantragung von Überbrückungsleistungen bis zur Rückreise nach § 23 Abs. 3 S. 2 SGB XII hingewiesen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte u.a. aus, dass es sich bei den sog. Überbrückungsleistungen um andere Leistungen handele, als die die sie begehre. Diese Leistungen seien zweckbestimmt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken. Sie begehre aber Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Deutschland. Sie wolle in der Bundesrepublik bleiben, um den Kontakt zu ihren Kindern sicherzustellen. Sie wolle in der Bundesrepublik arbeiten und ein eigenes Leben führen. Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 19.04.2017 wies die Stadt P den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 21.06.2017 schloss die Klägerin einen bis zum 31.12.2017 befristeten Arbeitsvertrag über eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft mit der Firma D GmbH in N. Die Einkünfte wurden jeweils im Folgemonat ausgezahlt.
Im Jahr 2017 nutzte die Klägerin mit zwei weiteren Personen, Herrn N, geboren am 00.00.0000 und dessen Sohn L, geboren am 00.00.0000, eine Mietwohnung. Mieter der Wohnung war Herr N. Im Juni 2017 betrug die Gesamtmiete monatlich 472,57 Euro (312,07 Euro Grundmiete (309,57 Euro zzgl. 2,50 Euro Untermietzuschlag), 55,00 Euro Heizkosten und 105,50 Euro Nebenkostenvorauszahlung). Zwischen der Klägerin und Herrn N bestand die Absprache, dass die Klägerin 1/3 der Mietzahlungen trägt. Das Warmw...