Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 14 Abs 4 SGB 9. keine Zweitversorgung einer körperbehinderten Versicherten mit einem Aktivrollstuhl. Fehlen einer besonderen Beanspruchung iS der Hilfsmittelrichtlinien bei der Mitnahme im Schulbus
Orientierungssatz
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 9/09 R = SozR 4-3250 § 14 Nr 10) räumt § 14 SGB 9 als einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Rehabilitationsträger ein. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB 10 vor. Er ist begründet, soweit der Versicherte von dem Sozialleistungsträger, der ohne die Regelung des § 14 SGB 10 zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können.
2. Die Ausstattung einer Versicherten mit einem zweiten, speziell an ihre Bedürfnisse angepassten Rollstuhl (hier Aktivrollstuhl Typ "Buddy D4" mit anatomischem Sitz nach Maß und Zusatzzubehör) zum Besuch einer Schule für Körperbehinderte ist nicht erforderlich und verstößt damit gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB 5, wenn es an einer besonderen Beanspruchung iS der Hilfsmittelrichtlinien (juris: HilfsMRL) fehlt (hier verneint bei der schultäglichen Mitnahme im Schulbus).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Münster vom 20.01.2009 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.861,29 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kostenerstattung (KE) für die Zweitversorgung der Versicherten L H, geb. 1995, mit einem Rollstuhl für den Besuch einer Förderschule.
Die Versicherte, die die F-Schule, X Schule für Körperbehinderte in N, deren Schulträger der Kläger ist, besucht und in S lebt, ist dauerhaft auf die Benutzung eines Rollstuhl angewiesen. Sie leidet als ehemaliges extrem Zwillingsfrühgeborenes der 29. Schwangerschaftswoche unter folgenden Erkrankungen: spastische, beinbetonte Tetraparese, schwerste psychomotorische Entwicklungsstörung, Hüftluxation links. Am 22.02.2006 beantragte sie bei der Beklagten, bei der sie krankenversichert ist, unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. N vom 02.02.2006 die Zweitversorgung mit einem Aktiv-Rollstuhl "Buddy D4" mit Doppelgreifreifenantrieb sowie anatomischer Rückensitzeinheit und individuellem Zubehör für die Schule. Weiter reichte die Versicherte der Beklagten einen Kostenvoranschlag für einen derartigen Rollstuhl mit Zubehör über 3.574,88 EUR nebst weiterem Zubehör über 2.406,04 EUR ein. Zuvor war die Versicherte zuletzt im August 2004 mit einem baugleichen Rollstuhl für den häuslichen Gebrauch zu Lasten der Beklagten versorgt worden. Diese reichte, da sie für eine Zweitversorgung keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse sah, den Antrag mit Schreiben vom 02.03.2006 an den Kläger als überörtlichen Träger der Sozialhilfe weiter, wo der Antrag am 06.03.2006 einging. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 21.06.2006 die begehrte Leistung unter Hinweis auf seine nachrangig bestehende Leistungsverpflichtung gemäß § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), wobei der Rollstuhl im Eigentum des Klägers verblieb. Es entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 5.980,92 Euro abzüglich Skonto (Rechnungen der Fa. S in S vom 31.08.2006, 5.861,29 EUR zahlbar gestellt am 13.09.2006).
Gegenüber der Beklagten machte der Kläger mit Schreiben vom 21.06.2006 einen KE-Anspruch für die Zweitversorgung mit dem Aktivrollstuhl Buddy D4 gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX bzw. gemäß §§ 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geltend. Diesen lehnte die Beklagte vom Schreiben vom 04.07.2006 ab.
Daraufhin hat der Kläger am 27.07.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Münster erhoben, mit der er seinen Antrag auf KE weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe die Zweitversorgung im Rahmen seiner Vorleistungsverpflichtung nach § 14 SGB IX übernommen, da der von der Beklagten für den häuslichen Gebrauch zur Verfügung gestellte baugleiche Rollstuhl nicht schultäglich im Schulbus mitgenommen werden könne. Es bestehe in dem konkret eingesetzten fünfsitzigen Pkw, mit dem die Versicherte transportiert werde, keine ausreichende Lagerfläche. Entsprechend seiner, des Klägers, aktuellen vertraglichen Regelungen mit den beauftragten Beförderungsunternehmen könnten die Fahrzeuggrößen nicht verändert werden, um beispielsweise die Mitnahme von Hilfsmitteln zu ermöglichen. Auch könnten bei der Ausschreibung der Fahrlinien keine Platzkapazitäten für Hilfsmittel berücksichtigt werden. Der Schulträger sei im Übrigen nicht dazu verpflichtet, zusätzliche Hilfsmittel zu transportieren. Er habe lediglich Schülerfahrkosten zu übernehmen, d. ...